Hier gibt es dies und jenes aus dem Leben der Leute vor 1490


Diese Seite will nur einen groben Überblick, der Entwicklung in der Zeit vor 1490 aufzeigen, um so besser die Welt meiner Ahnen verstehen zu können. Dabei geht es mir nicht darum, die deutsche Geschichte genau zu erfassen, sondern Ereignisse aufzuzeigen, die für das Leben der einfachen Leute wichtig wurden. Alles andere würde den Rahmen dieser Homepage sprengen.

Die wichtigsten Schlagworte

747-814: Leben zur Zeit Karl dem Großen
ab 1050: Wandel des bäuerlichen Lebens im Hochmittelalter
1300: Leben der einfachen Leute in "Deutschland" um 1300
Entwicklung der deutschen Sprache
Weitere Quellen im Internet
Quellennachweis


 

Leben zur Zeit Karl dem Großen

Karl der Große 747-814 Die Zeiten sind wahrlich schlecht. Eine Naurkatastrophe folgt der anderen - Frost, Dürre, Überschwemmungen, Viehseuchen. Es wird oft gehungert. 784 soll in Teilen des Frankenreichs ein Drittel der Bevölkerung der Not zum Opfer gefallen sind.
Über die Not von 793 heißt es in den Chroniken: "Menschen aßen Menschen, Brüder ihre Brüder, Mütter ihre Kinder." -für die meisten Untertanen ist das Leben ein unablässiger Kampf ums Überleben. Und ihre Chancen stehem miserabel.
Im Frankenreich leben die Menschen überwiegend von der Landwirtschaft. Sie hausen in ärmlichen Hütten, tragen ärmliche Kleidung und essen ärmliche dünne Suppen. Sie bestellen meist mit unzureichenden Geräten winzige Äcker. Ein bis zwei Drittel der Ernte werden für die Aussaat im nächsten Jahr gebraucht. Vom kläglichen Ertrag geht auch noch ein Teil an den Grundherren.
Die fränkischen Bauern kennen noch nicht den Wendepflug, mit dem sich Unkraut, Gedreidestoppeln und Dünger unterpflügen lassen; ihnen fehlen noch das Wissen um die Dreifelderwirtschaft, die verhindert, daß die Erde auslaugt; ihnen fehlt die Erfahrung der Züchter, die erst in den kommenden Jahrhunderten Nutzpflanzen und -tiere ertragreicher machen werden (dann wird das Mastgewicht der Schweine um ein Vielfaches über dem liegen, was ein Tier im Jahre 801 hergibt). Schweine sind so teuer, daß sich viele der ärmsten Bauern keines leisten können.
Denn die meisten Landbewohner sind nicht einmal Herr ihrer selbst. Zu Karls Zeit, und auch schon davor, tauschen immer Bauern Freiheit gegen Schutz: Sie begeben sich mehr oder weniger freiwillig in die Grundherrschaft - verkaufen ihre Arbeitskraft und ihr Land für das Recht, es bis ans Ende ihres Lebens bewirtschaften zu dürfen. Dabei verlieren sie manche Freiheiten - etwa die, ihr Land jederzeit verlassen zu dürfen.
Doch gewinnen sie die unschätzbare Sicherheit, vom lokalen Potentaten nicht mehr vertrieben oder vollständig ausgeplündert zu werden, weil dieser sich damit fortan auch selbst schaden würde. Außerdem liegt es nun in seinem Interesse, sie gegen Räuber und Plünderer zu schützen.

 

ab 1050: Wandel des bäuerlichen Lebens im Hochmittelalter

Zur Zeit der Karolinger, also etwa in den Jahren 700- 1000, waren die Erträge der Landwirtschaft sehr niedrig. Dadurch, daß die Ernte nicht einmal das doppelte der Aussaat betrug , war eine Vorratswirtschaft kaum möglich. Das zusätzliche Fehlen passender Geräte zum Bearbeiten des Bodens begünstigte zahlreiche Hungersnöte. Neben ständig vorhandenen lokalen Hungersnöten waren vor allem die Jahre 1005 / 1006, 1043 - 1045 und 1090 - 1095 Zeiten fast allgemeiner Hungersnot. Aus dem 11. Jahrhundert wird sogar von hungerbedingtem Kannibalismus berichtet. Die ständige Unterernährung verursachten auch zahlreiche Krankheiten wie z.B. Tuberkulose und die Pest. Als Antwort darauf wurde in Nordwesteuropa eine agrartechnische Revolution angestrebt. Das fehlen geeigneter Werkzeuge ist vor allem darauf zurückzuführen, das die Kultur der Karolingerzeit vor allem auf der Verwendung und Bearbeitung des Holzes beruhte. Erst im 11. Jahrhundert verbreitete sich der Gebrauch von Eisen in der Landwirtschaft.
Hakenpflüge Bis zur Zeit Karls des Großen waren im Frankenreich noch antike Hakenpflüge, ein von Ochsen gezogener Stock, im Einsatz. Diese hatten die Nachteile, das sie schnell kaputt gingen und das der Boden immer wieder mit Schaufeln nachbearbeitet werden mußte; sie waren nur für die lockeren Böden des Mittelmeerraumes geeignet.
Eine wesentliche Neuerung war wohl der Räderpflug. Der Räderpflug tritt erstmals im 6. Jahrhundert bei Slawischen Völkern auf. Von dort aus soll er zu den Wikingern und Normannen gelangt sein. Der Räderpflug wird sogar als eine Ursache der Expansion der Nordischen Völker angesehen; er soll die Erträge der Böden so stark erhöht haben, daß die Bevölkerungszahl so stark angestiegen sein soll, daß Tausende Wikinger Skandinavien verlassen mußten. Von den nach Süden ziehenden Wikingern soll der Räderpflug dann zu den Franken gelangt sein.
Räderpflug Der schwere fränkische Räderpflug bestand vor allem aus einem Messer aus Eisen (Sech), das die Grasnarbe aufriß, einem waagerecht liegendem Messer (Schar), das die Erde waagerecht abschnitt und einem Streichbrett, das die Erde umlegte und gleichzeitig zerkrümelte. Der Räderpflug hatte ein bewegliches Vorderteil. Mit dem Räderpflug konnte man nun auch die schweren Böden Nordeuropas pflügen und besser für die Aussaat vorbereiten. Er brachte eine große Arbeitsersparnis.
Landarbeit und Transport wurden während der Karolingerzeit von Ochsen verrichtet, während die stärkeren Pferde nur als Transportmittel für Adlige und für den Kriegsdienst verwendet wurden. Deshalb konnte der Räderpflug zunächst noch nicht voll ausgenutzt werden, denn er erforderte eine stärkere Zugkraft als die des Ochsen (er wurde am Anfang mit Hilfe eines Jochs von 6 - 8 Ochsen gezogen). Mit der Erfindung einer neuen Anschirrmethode, dem Kummet, einem steifen Ring, der den Druck auf Brustkorb und Schultern des Tieres verteilte und seine Zugkraft voll zur Entfaltung brachte, kamen auch vermehrt Pferde in der Landwirtschaft zum Einsatz. Das Kummet stammte wahrscheinlich aus Zentralasien. Das Stirnjoch hatte bei Ochsen die gleiche positiver Wirkung wie das Kummet beim Pferd. Die Erfindung des Kummets und des Stirnjochs steigerte die Leistungsfähigkeit der Tiere um das 4 - 5fache. Der Ochse wurde zwar nicht völlig verdrängt, wurde aber auf den meisten Feldern durch das Pferd ersetzt, dessen Leistungsfähigkeit 50% höher war, als die des Ochsen. Die ab dem 9. / 10. Jahrhundert übliche Beschlagung der Pferde mit Hufeisen trug ebenfalls zu einer wesentlichen Beschleunigung der landwirtschaftlichen Arbeit bei.
Da die Bauern zunehmend in der Benutzung des Gemeindelandes (Allmende) eingeschränkt wurden, mußte ein neues Erntegerät her. Im 14. Jahrhundert wurde daher auf den Feldern die Sichel zunehmend von der Sense ersetzt, welche früher nur zum Grasschneiden benutzt wurde. Die Sense hatte den Vorteil, daß die Ähre nicht direkt oben am Halm wie bei der Sichel, sondern unten am Boden abgeschnitten wurde. Die Bauern konnten nun das Stroh als Einstreu für ihre Ställe benutzen.

Im 11. Und 12. Jahrhundert gab es Wassermühlen, wie sie aus dem römischen Reich bekannt waren. Im 13. Jahrhundert tauchten dann die Windmühlen mit ihrer komplizierten Technik auf. Manche Windmühlen hatten bewegliche Achsen, so daß sie immer nach dem Wind ausgerichtet werden konnten und so, im Gegensatz zu Wassermühlen, immer funktionierten (außer bei Flaute natürlich).

Mit dem vermehrten Einsatz von Pferden mußte mehr Hafer (Pferdefutter) angebaut werden. Hafer und Gerste, beides Früjahrssaaten, traten nun neben den Anbau der Herbstsaaten (Weizen und Roggen). Das steigerte die Produktion noch zusätzlich und die Gefahr von Mißernten wurde vermindert. Zusätzlich verbesserte sich die Qualität der Nahrungsmittel durch den Anbau von Hülsenfrüchten (Erbsen...), die viele Proteine enthalten und eine gute Ergänzung zu den Kohlenhydraten des Getreides sind.
Im Zusammenhang mit dem Anbau von Früjahrsfrüchten gab es eine weitere wichtige Neuerung in der mittelalterlichen Landwirtschaft: Die Einführung der Dreifelderwirtschaft.
In der Karolingerzeit (bis zum 11. Jahrhundert) war die Zweifelderwirtschaft üblich. Unter Zweifelderwirtschaft versteht man: ein zu bearbeitendes Gebiet wird im Jahr in zwei Teile geteilt. Während die eine Hälfte bebaut wurde, hatte die andere Zeit, sich als Brachland zu erholen. Dies brachte einen großen Produktivitätsverlußt und unter diesen Bedingungen waren viele Felder bald erschöpft, es mußten durch Rodung neue Anbauflächen geschaffen werden. Ortsnamen mit den Endungen -rode, -rat, -rith oder reith lassen heute noch erkennen, daß diese Gebiete nicht zum alten Siedlungsland gehörten, sondern durch Rohdung hinzugewonnen wurden. Auf diese Weise war die Landwirtschaft stark landbeanspruchend.
Die im 8. Jahrhundert zwischen Rhein und Seine eingeführte Dreifelderwirtschaft brachte qualitativen und quantitativen (16% höhere Erträge im Vergleich zur Zweifelderwirtschaft) Fortschritt. In der Dreifelderwirtschaft wurden 2/3 des Feldes bebaut, während 1/3 brach lag. Da die beiden bebauten Feldstücke jeweils verschieden bebaut wurden - das eine mit Herbstsaat, das andere mit Frühjahrssaat - trat ein wirkungsvoller Fruchtwechsel ein. Die Gefahr der Hungersnöte sank, denn eine schlechte Frühjahrsernte konnte durch ein gute Herbsternte gemildert werden (und umgekehrt). Südlich der Alpen und der Loire, wo die Sommer für eine Frühlingssaat nicht feucht genug waren, verbreitete sich die Dreifelderwirtschaft nicht. Man darf sich aber die Steigerung der Erträge nicht zu hoch vorstellen: Die Erträge haben sich bis 1300 im Vergleich zum Jahr 900 nur etwa verdoppelt (auf das Dreifache der Aussaat).

Dreifelderwirtschaft Ein Beispiel, wie es einige Dörfer gemacht haben:
Es haben sich vier Bauern zusammen (es sind nur drei nötig) vier Felder angelegt. Diese wurden gerecht aufgeteilt, d.h., dass sie jedes der vier Felder in vier Teile geteilt (Bauer 1, 2, 3, 4) haben. Und nun zur Bewirtschaftung von einem der vier (1, 2, 3 oder 4) Teilfelder. Ein Feld lag brach und auf den anderen Feldern wurde jeweils Sommergetreide bzw. Wintergetreide angebaut. Das hatte den Vorteil, dass die Felder nie vollständig ausgelaugt wurden.
Almende war das Land das allen Bauern eines Dorfes gehörte.
Hier sieht man, wie die gesamte Nutzfläche eines Dorfes nach dem Prinzip der Dreifelderwirtschaft aufgeteilt wurde. Das erleichterte die Bearbeitung der Felder erheblich.

Hier noch einmal eine Auflistung technischer Neuerungen und ihrer Vorteile, die zusammen mit einer natürliche Erwärmung der Lufttemperatur (jährlich 1 - 2 Grad im Durchschnitt), zu einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion beitrugen:
- Räderpflug
· Der Boden mußte nicht mehr nachbearbeitet werden
· Er war sehr viel stabiler als sein Vorfahre
· Die Arbeit geht schneller und mit weniger Arbeitsaufwand vonstatten
· Das Querpflügen und damit die quadratische Form der Felder erübrigt sich
- Vermehrter Düngereinsatz (Torf, Asche, Kalk......)
· Dünger steigert die Erträge des Bodens
- Einsatz der Egge im 11. Jahrhundert anstelle von Rechen und Hacke
· Schnellere und bessere Bearbeitung des Bodens mit großer Arbeitsersparnis
- Neue Anschirrmethode: Kummet und Stirnjoch
· Die Stärkeren Pferde können in der Landwirtschaft eingesetzt werden
· Optimale Nutzung der Zugkräfte der Tiere
· Steigerung der Leistung um das 4 - 5fache
- Einsatz der Sense anstatt der Sichel
· Nutzung des Strohs als Einstreu
· Arbeitsersparnis
- Hufeisen
· Einsatz der Pferde in der Landwirtschaft
· Steigerung der Leistung der Pferde und Beschleunigung der Feldarbeit
- Windmühlen
· Verarbeitung des Getreides in größerer Menge und unabhängig von Wasserläufen.

Die Agrarrevolution des 11. Jahrhunderts hatte weitreichende Folgen. Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion beruhte nicht nur auf den neuen Anbaugeräten, sondern auch auf einer ständigen Vergrößerung der Anbaufläche und Kolonisierung neuer Gebiete. Es wurden Wälder gerodet und die Sümpfe an der Nordseeküste wurden durch den Bau von Dämmen urbar gemacht. Mit Hilfe der neuen landwirtschaftlichen Geräte konnten nun auch weniger fruchtbare Gebiete bepflanzt werden.
Im frühen Mittelalter herrschte ein Mangel an Dünger. Um dieses Problem zu lösen wurden im Hochmittelalter von den Bauern Abgaben in Form von Dünger erhoben. Eine andere Möglichkeit war, den Bauern zu befehlen, ihr Vieh an bestimmten Tagen auf den Ländereien des Grundherrns grasen zu lassen.

Dadurch, daß die Dreifelderwirtschaft nur zwischen Rhein und Loire eingesetzt werden konnte und mit dem Räderpflug die schweren, fruchtbaren Böden des Nordens besser bearbeitet werden konnten verlagerte sich der Mittelpunkt der Zivilisation seit den Tagen Karls des Großen immer mehr nach Norden.
Der schwere eiserne Räderpflug war wegen des Einsatzes von Eisen und der hohen Kosten des Zuggespanns äußerst teuer. Nur die reichsten Bauern konnten solche Summen aufbringen. Die armen Bauern waren gezwungen, Pflug und Gespann gegen eine Abgabe von einem größeren Bauer zu entleihen. Die soziale Schere öffnete sich immer weiter, denn die armen Kleinbauern wurden zunehmend abhängig von den Reichen und Mächtigen. Der wirtschaftliche und soziale Abstand der reichen Bauern, welche sich jetzt manchmal sogar "nobilis" (adlig) nannten, obwohl sie nicht in den Adel aufstiegen, zu ihren ärmeren Standesgenossen vergrößerte sich immer weiter. Um nicht von reichen abhängig zu werden, gründeten viele Bauern sog. Produktionsgenossenschaften, d.h. sie stimmten die Bearbeitung des Bodens mit den neuen Techniken aufeinander ab.
In der Mitte des 11. Jahrhunderts überstieg die landwirtschaftliche Produktion erstmals den Verbrauch. Es war nun - dank den technischen Fortschritten - nicht mehr nötig, alle verfügbaren Arbeitskräfte in der unmittelbaren Nahrungserzeugung einzusetzen. Jetzt ermöglichte die gestiegene Produktion der Landwirtschaft auch eine weitere gesellschaftliche Arbeitsteilung und Spezialisierung: Die Ausbreitung und Auffächerung des Handwerks. Die nun entstehenden Städte waren Mittelpunkte künstlerischer, geistlicher und sozialer Erfahrungen. Es entwickelten sich in den Städten Verbraucherzentren, die vom landwirtschaftlichen Überschuß lebten. Die Spezialisierung des Handwerks führte zu einer Verbesserung der Handwerklichen Geräte und Werkzeuge. Durch den Handel mit handwerklichen Erzeugnissen wurden die Städte und ihre Bürger immer Einflußreicher, bis sie schließlich den Kampf gegen die gesellschaftliche Vorherrschaft des Landadels aufnehmen konnten.
Der landwirtschaftliche Überschuß und die Entstehung von Verbraucherzentren erhöhte die Bedeutung des Geldes, denn die Stadtmenschen hatten keine Naturalien, die sie den Bauern anbieten hätten können.
Die verbesserte Landwirtschaftstechnik ließ die Zahl der Unfreien, die auf den Herrenhöfen arbeiteten, absinken. Unter Umständen konnte es sich für einen Grundherren lohnen, Unfreien ein Stück Land zur Eigenbewirtschaftung gegen Frondienste und Abgaben zu überlassen, weil es sich nicht lohnte eine Menge von Arbeitern ganzjährig zu unterhalten, die er Dank der neuen Techniken nicht mehr brauchte. Die Fortschritte in der Landwirtschaft verbesserten also auch die Lage der Bauern. Die Grundherren gingen langsam dazu über, die Frondienste durch Geldabgabe, welche nur sehr schwer zu erhöhen waren, zu ersetzen. Das wirkte sich sehr günstig auf die Bauern aus, welche immer mehr produzierten und für mehr Geld verkauften, aber nicht viel größere Abgaben leisten mußten. Die Bauern hatten nun auch ein finanzielles Interesse daran, ihre Erträge zu steigern und einen Überschuß zu produzieren. Durch Handel mit den Städten wurden auch die Transportmöglichkeiten verbessert, was die Bauern zusätzlich dazu ermutigte, Überschüsse zu erzeugen, um sie in weiter entfernte Gegenden zu verkaufen.

Der technische Fortschritt in der Landwirtschaft ermöglichte im Hochmittelalter
- einen großen Bevölkerungsanstieg,
- die Entstehung von Städten mit handwerklich spezialisierten Bürgern, die als Verbraucher vom nun produzierten Überschuß der Landwirtschaft lebten, was den Handel und die Geldwirtschaft förderte, was schließlich zur Umwandlung des gesamten Feudalen Systems (von lat. feudum = Lehen) führte
- die Überwindung des Hungers und das Vereiteln von Hungersnöten, was zu einer Verbesserung der allgemeinen Gesundheit führte.

Dies alles war eine entscheidende Voraussetzung für die kulturelle Blüte Mitteleuropas im Mittelalter.

 

Leben der einfachen Leute in "Deutschland" um 1300

Wie viele Bauern lebten etwa um 1300 im Deutschen Reich?
Mit einiger Sicherheit ist davon auszugehen, daß gegen 1300 in Mitteleuropa etwa acht bis zehn Millionen Menschen lebten, über 90 Prozent von ihnen auf dem Lande.
Wie alt wurden damals die Bauern?
Nur jedes zweite ihrer Kinder überlebte die ersten Jahre. Und das hatte dann die Chance, im Schnitt rund 40 bis 50 Jahre alt zu werden. Das weiß man verläßlich aus Knochenfunden - auch daß der Mann vom Lande von etwas kleinerer und gedrungenerer Statur war, als wir es heute sind. Er war auch viel "beschädigter". Denn während die Chirurgen uns heute meist wieder herrichten können, blieb damals ein Bauer, den etwa ein Huf getroffen hatte, krumm sein Leben lang. Überdies konnte er unter Skorbut und anderen Mangelkrankheiten leiden. Ein jeder war vom Leben äußerlich gezeichnet.
Sein Speiseplan war wohl nicht der beste?
Meist aßen die Landleute Brei, Müsli oder Suppe aus Getreide. Fleisch kam recht selten auf den Tisch. Als Gemüse kannten sie allenfalls Kohl, Rüben und einige Lauchsorten, auch wurden Pilze und wilde Beeren gesammelt. Brot kam beileibe nicht täglich auf den Tisch, denn oft gab es nur einen einzigen Backofen fürs ganze Dorf. Getrunken wurde, neben Wasser, selbstgebrautes, meistens dünnes Bier.
Und wenn einer zum Arzt mußte?
Ärzte gab es für die Landbevölkerung nicht. Aber man hatte mehr oder weniger keilkundige Verwandte oder Nachbarn. Die diagnostizierten und therapierten schlicht: Heißes muß gekühlt, Kaltes gewärmt werden. Und dafür nutzten die Menschen die grüne Apotheke in Wald und Feld und Garten. Sie wußten sehr wohl, wozu etwa Johanniskraut oder Beifuß diente. Den Heilkräutern wurde vielfach durchaus Eigenartiges beigemischt - etwa scharfer verrotteter Kot oder frischer Urin, der als Desinfizienz diente.
Und wie war man gekleidet?
Die Leute trugen normalerweise ponchoähnfiche Umhänge, Ärmel sind erst viel päter aufgekommen. Den Kopf bedeckten sie mit aus Wolle gehäkelten Kappen, die über heißem Wasser verfilzt, also regendicht gemacht worden waren. Zudem wurden über oder um manche Körperstellen Lappen gewickelt, gegürtet oder gekordelt und am Bein oder am Gesäß auch mit Leder besetzt. An kalten Tagen hüllte man sich zusätzlich in Decken. Wer es sich leisten konnte, trug Schuhe aus Leder oder einfachere aus Stroh und Holz - oder Töppen, höhere Schuhe, die im Matsch ganz praktisch waren.
Und wie stand es mit der Hygiene?
Das ist relativ zu sehen. Schon zu Schauzwecken wurden die wollenen oder leinenen Kleider gewaschen, etwa wenn ein Festtag dies erforderte. Es gab die großen Waschtage der Frauen am Brunnen oder am Bach. Sicher wird man sich auch die Hände gesäubert und den Schweiß aus dem Gesicht gespült haben. Aber den ganzen Körper regelmäßig zu waschen, das gehörte nicht zum Anstand.
Wie sahen ihre Häuser aus?
Im Frühmittelalter waren das im Boden verankerte Pfostenbauten. Sie zählten zur sogenannten Fahrhabe: weil der Bauer, wenn er umzog, mitnehmen konnte, was vom Haus weiter zu gebrauchen war. Vom 12. Jahrhundert an wurden Häuser mit Ständerwerk üblich: Auf planiertem, mit Steinen befestigtem Grund wurden hölzerne Ständer gestellt. Haus von 1482 Die Verfeinerung der Zimmermannstechnik, die auch von besseren Schmiedetechniken profitierte, führte zum Fachwerkbau - zu Häusern aus einem mit Mist, Lehm oder Steinen ausgefüllten Holzgerüst. Es gab zwar schon den Mehreck-Hof mit separaten Ställen und Scheunen, doch häufiger den Einhaus-Hof, wo Mensch, Vieh, Geräte und Vorräte unter einem Dach vereint waren. Hühner, Hunde, Katzen, Schwalben tummelten sich meist bei den Menschen; Rinder und Schweine allerdings hatten außen vor zu sein: Der Stall im Haus war abgeteilt, hatte auch seinen eigenen Eingang.

Dieses Bild zeigt ein um 1482 erbautes Kleinhaus. Es war selbst für seine Zeit ein Kleinstgebäude. Der rekonstruierte Zustand im Museum zeigt an diesem Haus alle typischen Merkmale eines Fachwerkwohnhauses dieser Zeit: Das Fachwerkgerüst mit den umlaufenden Schwellen, die sichtbaren, aber unbehandelten Hölzer, die aus waagerechten Bohlen gebaute hölzerne Stube mit ihrer Spunddecke und der offene Kamin mit Herd im L-förmigen Küchenflur sind charakteristische Baudetails für Häuser aus dieser Zeit im Südwesten Deutschlands. Es steht nun im Freilandmuseum Wackershofen bei Schwäbisch Hall.

Viel Privatheit wird einer da nicht für sich gehabt haben?
Privatheft hängt vermutlich mit der Entwicklung zusammen, die der Gebrauch des Feuers im Hause genommen hat. Bis ins hohe Mittelalter rauchte ja stets das Haus - und nicht der Schornstein: Der Qualm stieg von einer offenen Feuerstelle auf und entwich durch das sogenannte Eulenloch im First. Alle Hausbewohner saßen und schliefen um den Herd herum. Mehrräumigkeit ist erst eine spätmittelalterliche Erscheinung, die mit der Verbreitung des Kamins zu tun hat.
In welchem Alter fanden sich Mann und Frau zur Ehe zusammen?
Meist waren beide schon über 20. Zum einen gab es dafür religiöse Gründe - die Kirche predigte ja massiv gegen das Ausleben der Fleischeslust. Zum anderen mußten die beiden den Hof auch tatsächlich führen können. Die Frau hatte zu melken, zu buttern, das Groß- und Kleinvieh zu pflegen, Herd und Haus zu hüten. Der Mann mußte hinter dem schweren Wendepflug mit vier Ochsen gehen und mit allen Schneidegeräten in Wald und Feld zu hantieren verstehen - vom Messer bis zur Säge und Axt.
Wie wurden die Ehen geschlossen?
Normalerweise machten die Väter die Heirat ihrer Kinder untereinander ab. Das Paar konnte heiraten, sobald Konsens mit der lokalen Herrschaft erreicht war. Die Eheschließung selbst verlief nach örtlichem Brauch. Ein Beispiel aus dem braunschweigischen Land: Die Braut wurde in Hochzeitstracht auf einem geschmückten Wagen mit ihrem Hausstand zum Bräutigam gefahren - vielleicht unter Gesängen mit Pauke und Fidel, begleitet von Hochrufen oder anzüglichen Redensarten. Dann stieg die Frau in das Bett des Mannes, und die Gäste warteten, bis gemeldet wurde: "Die Ehe ist vollzogen." Vom 13. Jahrhundert an fuhren Braut und Bräutigam hie und da zuvor auch zur Kirche, und der Pfarrer segnete ihre Ehe ein. Zum Normalfall wird das aber erst im Zuge der Reformation und Gegenreformation.
Was haben wir uns zu jener Zeit unter dem sozialen Gefüge im Dorf vorzustellen?
Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert entwickelt sich eine neue soziale Differenzierung im Dorf. Von da an kann man nicht mehr von "den Bauern" schlechthin sprechen, sondern von Vollbauern und Kätnern, von Knechten und Kostgängern und wie sie alle heißen. Bis ins 11. Jahrhundert hingegen war die ländliche Bevölkerung qua Geburt gespalten in Freie und Unfreie - das waren die Nachfahren der Ackersklaven, die in der Antike auf den Gütern arbeiten mußten. Ein bedeutender sozialer Vorgang im frühen Mittelalter war, daß diese Landlosen von ihren Herren auf eigene ländliche Einheiten, die "Hufen", angesiedelt worden sind.
Und damit verschwand der angeborene Unterschied zwischen frei und unfrei?
Ja, wenn auch nur allmählich. Wie gering er aber schon in der Mitte des 9. Jahrhunderts war, zeigt eine Passage aus einem Abgaben- und Frondienstregister des Klosters St-Maur-des-Fosses bei Paris. Auf einem Fronhof hatte es Streit zwischen einem freien und einem unfreien Bauern gegeben über einen Frondienst: die Düngung des herrschaftlichen Ackers. Schließlich wurde bestimmt, daß der freie, besser ausgestattete Bauer sich mit Ochs und Wagen zum Misthaufen der Mönche zu begeben habe. Dort sollte der unfreie Bauer warten und den - sehr schweren - Mist aufladen. Der freie Bauer hatte dann den Mist auf den Herrenacker zu fahren und der Unfreie ihn dort abzuladen. Der eine schaufelte, der andere karrte - das war der Unterschied.
Daß ein Acker gedüngt werden mußte, wußte man schon damals?
Ja, Düngen ist eine uralte Kulturtechnik. Aber gerade in Sachen Ackerbau und Viehzucht waren die Landleute des Mittelalters höchst innovativ; damals entstand so etwas wie das Produktprofil unserer ländlichen Welt. Beim Getreide waren Roggen und Dinkel die Favoriten. Revolutionär wirkte sich bereits vom B. Jahrhundert an die gezielte Verwendung von Sorten aus, die entweder im Herbst oder im Frühjahr auszusäen waren. Die Kombination von Wintersaat, also Weizen und Roggen, und Sommersaat, Hafer und Gerste, erlaubte eine ökologisch und ökonomisch bessere Nutzung des Ackers. Sie machte die Dreifelderwirtschaft möglich: ein Jahr Sommergetreide, ein Jahr Wintergetreide, ein Jahr Brache. Ein weiterer Sprung nach vorn war der vermehrte Anbau ergänzender Pflanzen im hohen Mittelalter: Hülsenfrüchte wie Erbse, Wicke, Bohne, die den Boden mit Stickstoff anreichern und so zusätzlich düngen, wurden im Wechsel mit dem Getreide angebaut.
Und worin lag der Fortschritt beim lieben Vieh?
Dank immer besserer Züchtungen wuchs nicht nur das Großvieh an Größe und Masse, sondern bei Rind, Pferd, Schwein, Schaf, Ziege wurden auch andere erwünschte Eigenschaften stärker entwickelt. Am meisten erreichte man wohl, seiner Wolle wegen, beim Schaf - bis hin zu regionalen Rassen, denken Sie an die Heidschnucke. Die wichtigste - ungewollte - Neuerung war übrigens das Kaninchen. Es stammt aus Spanien und hat seit dem 13. Jahrhundert relativ schnell ganz Europa erobert.
Sind Neuerungen systematisch entwickelt worden?
Es gab zwar Agrarexperten wie die Zisterzienser, die Innovationen bewußt gefördert haben - so Fischteiche und Mühlenbetriebe. Sonst wäre ich da eher vorsichtig, Meist versuchte man, aus dem Land herauszuholen, was es eben hergab. Das konnte aber auch danebengehen, insbesondere auf Neuland. Typisch ist die Erfahrung, die deutsche Kolonisten im 14. Jahrhundert in der Uckermark machten. Sie hatten dort die Slawen verdrängt, große Waldflächen gerodet und dann mit dem tiefgehenden Wendepflug beackert. Nach zwei Generationen waren die Äcker purer Flugsand. Denn die Wälder hatten auf glazialen Sandern gestanden. Und die Slawen waren gewohnt, den schlichten Ritzpfug zu verwenden, der die Krume nur öffnet, aber nicht wendet und so den Sand nach oben hebt.
Welche Sorgen. hatte ein Bauer im Oktober 1299?
Die Ernte wird er bereits in der Scheuer gehabt haben, wenn sie schlecht ausgefallen war, dann waren seine Sorgen gewaltig. Stand es schlecht um den Hafer, dann mußte er um die Pferde bangen. War die Gerste nicht gut gekommen, würde es mit dem Bierbrauen schwierig werden. Die Frage war auch, was die Buchen an Eckern und die Eichen an Eicheln trugen, ob also die Schweine im Wald fett werden konnten. Waren die Erträge überall miserabel, dann brachte das auch die Herrschaft in Kalamitäten. Die aber konnte sich auf das sogenannte Winterfütterungsgebot berufen, brauchte ihr Vieh notfalls nichtselberzu versorgen,sondern konnte es bei dem Bauern aufstellen. Darum mußte der Herr den Bauern allerdings bitten . . .
Der Herr mußte etwas erbitten?
Ja. Nicht der Befehl, sondern die Bitte war die wichtigste Institution im friedlichen Verkehr zwischen Herrn und Untertan. Sie galt als höfliche Form der Darlegung des Notwendigen, abgeschlagen werden konnte sie jedoch in der Regel nicht.
Welche Herrschaft bestimmte beispielsweise an der Ruhr?
Einer der großen Grundherren war das Kloster Werden, ein anderer das Stift Essen. Auf den Burgen saßen viele kleine Adlige und darüber die Grafen von der Mark und der Bischof von Münster, der Erzbischof von Köln und schließlich der Kaiser beziehungsweise König. Daneben hatten sich seit längerem auch die Patrizier der Reichsstadt Dortmund als Grundbesitzer etabliert. Alle diese Herrschaften waren keine geschlossenen Gebilde, sondern bestanden mal aus diesem, mal aus jenem Hof, dann kam mal ein halbes Dorf dazu oder auch nur ein bestimmtes Recht - wie das Marktrecht darin oder die Vogtei, der Vorsitz im Gericht. So mußte ein Bauer womöglich fünf Herren dienen, hatte etwa die Roggenabgabe an das Kloster Werden zu entrichten, den Zehnten an den Pfarrer, das Marktgeld an den Grafen von der Mark und so weiter.
Wie wurden die Abgaben registriert?
Die Verwalter und Meier notierten auf Pergamentzetteln oder Wachstäfelchen, was eingekommen war, und am Jahresende wurde daraus ein Rechtsdokument erstellt. In der Regel nahmen die Herrschaften nur zwei Drittel und weniger von dem ein, was sie beanspruchten. Vieles wurde nicht auf Pergament festgehalten, sondern auf Holz: Das Kerbholz war der Schuldstock des Mittelalters - ein gespaltenes Stück Holz, über dessen zwei Teile Kerben liefen, die sich exakt wieder zusammenfügen ließen. So konnten Gläubiger und Schuldner sehen, wer wieviel "auf dem Kerbholz" hatte. Auch der Schmied machte jedesmal, wenn er für den Bauern ein Pferd beschlug oder einen Pflug reparierte, Kerben und kassierte am Jahresende für soundso viele Kerben soundsoviel Sack Getreide, seinen Jahreslohn.
Bezahlte der Bauer stets mit Naturalien?
Sicher zog er das vor. Aber er kannte auch Geld, er besaß höchstwahrscheinlich sogar welches - besonders für Zahlungen an die Herrschaften, etwa für Zins und Zoll. Gepräges Geld war im übrigen wohl das einzige "Schriftstück", das er jemals in der Hand gehabt hat, und insoweit darf es als das wichtigste Schriftstück des Mittelalters gelten.
Aus dem Mittelalter sind zahlreiche Bauernaufstände bekannt. Waren drakonische Abgaben die Ursache?
Meistens ja. Zu hohe Abgabenforderungen konnten die Bauern so belasten, daß sie befürchten mußten, nicht durchs Jahr zu kommen. Aber Aufstände konnten auch ausbrechen, weil der Herr das Wasser abgegraben, den Wald eingezäunt oder auch eine Fehde miserabel geführt hatte, so daß den Bauern jeglicher Schutz fehlte. Überliefert sind auch subtilere Gründe - etwa Beleidigungen, die die gewohnte Balance des Oben und Unten zerstörten. Es gab eben auch eine Ehre der Niedrigen. Die Bauern strebten aber nicht nach einer Freiheit im Sinne moderner bürgerlicher Subjekte, sie wollten den Trott, den sie zu bewältigen gelernt hatten, erhalten wissen.
Was wußte der Landmann von der Welt? Hat er je sein Dorf verlassen?
Bauer und Bäuerin waren keineswegs immer in einem winzigen Lebenskreis befangen.Und paßte jemandem vom Gesinde irgend etwas nicht, dann ging der zum nächsten Jahrmarkt und besorgte sich dort eine neue Anstellung. Im übrigen zog man regelmäßig zum Gericht und zum Markt, oder man wallfahrtete zu einem nahen Heiligenbild: alles Orte im Umkreis von mehreren Tagesmärschen.
Hatte der Bauer eine Chance, gesellschaftlich aufzusteigen?
Ja. Wer für seinen Herrn Botendienste verrichtete und das Glück hatte, oft gute Nachrichten zu überbringen, der konnte in das Gefolge des Herrn aufgenommen und entsprechend eingekleidet werden. War der Mann auch noch ein pfiffiger Ratgeber, dann trug er eines schönen Tages vielleicht Waffen, und schon war er ein Berittener. Karrieren waren für schlaue Bauernsöhne auch als Kleriker möglich.
Und wie weit konnte ein Landmann aufsteigen?
Die höchste Stufe im Dienste einer Herrschaft war der Status eines Ministerialen - eine spezifische Erscheinung im Deutschen Reich, dessen Feudaladel eine andere Struktur hatte als in anderen Ländern. Es gab sogar Ministeriale, die wohlhabender waren als ihre Herren. Aber sie waren stets mit der Frage konfrontiert, ob sie diesen Status auch halten könnten. Denn letztlich ging es dabei nicht um Geld und Gut, sondern um Standesprivilegien. Und die gewann im Mittelalter ein Bauer nur selten. Vergessen wir schließlich den wichtigsten Aufstiegsprozeß nicht: die Wanderung in die Stadt - und damit ein Aufstieg ins gewerbliche Leben ebenso wie in die Kaufmannschaft. Jedenfalls aber bleibt festzuhalten: Stets haben die "armen Leut", die dem Boden beharrlich abrangen, wozu er taugte, für das Wohl aller anderen gesorgt.
Dieser Bericht ist entnommen aus "GEO EPOCHE: DAS MITTELALTER"

 

Entwicklung der deutschen Sprache

Lange hat es gedauert, bis die Deutschen miteinander reden konnten: Erst im 16. Jahrhundert entwickelte sich eine allgemein verständliche deutsche Schriftsprache. An dieser Entwicklung hat Reformator Martin Luther mit seiner Dolmetscherei großen Anteil. Seit 1400 Jahren spricht man Deutsch. Doch unterhielte sich ein heutiger Mensch mit einem Artgenossen aus dem 6. Jahrhundert, würden die beiden völlig aneinander vorbei reden. Und wie heute Luxemburger und Schwaben nicht die gleiche Sprache sprechen, hat damals jeder Stamm seine eigene Buchstaben-Suppe gekocht. Erst im 16. Jahrhundert kam Ordnung in das Mundarten-Wirrwarr: über ein einheitlich geschriebenes Deutsch konnte sich allmählich eine allgemein verständliche Sprache entwickeln.
Aus dem Germanischen entstanden im 6. Jahrhundert das Hoch- und das Niederdeutsche. Aber nicht die im Norden ansässigen Stolperei über spitze Steine gehörten dem hochdeutschen Gebiet an, sondern die breiten süd- (oder ober-) und mitteldeutschen Mundarten. Diese haben sich als selbstständige Sprache vom Englischen, Nordischen, Friesischen, Niederländischen und Niederdeutschen abgetrennt und sind Grundlage des heutigen Deutsch.
In Schwarz und Weiß taucht dieses Hochdeutsch zum ersten Mal im 8. Jahrhundert auf, als Karl der Große das Zepter schwang. Latein diente zwar als Amts- und Verkehrssprache. Doch da Karl sein ganzes Reich zum Christentum konvertieren wollte, ließ er unter anderem das Vaterunser in die Mundarten seines Volkes, Bairisch oder Alemannisch zum Beispiel, übersetzen.
Vom 11. Jahrhundert an waren es die Ritter, die zur Feder griffen und ihre Schwerter niederlegten. Mittelhochdeutsch nennt sich ihre Kunstschöpfung, mit der sie im Minnedienst schöne Edelfrauen betörten. Walther von der Vogelweide war davon einer der galantesten Dichter und bekam sicherlich so manches "herzeliebez frouwelin" ab. "Einem die Stange halten" oder "Jemandem einen Korb geben" sind überbleibsel aus diesem Wortschatz, der zur alltäglichen Kommunikation gar nicht taugte. Mit dem Untergang des Stauferreiches verschwand diese dünkelhafte Sprache wieder.
Erst das Geld brachte Fortschritt: Vom 14. Jahrhundert an wurde in den Verwaltungs- und Wirtschaftszentren der landesfürstlichen Territorien und der freien Städte mehr und mehr in der regionalen Mundart reglementiert, privilegiert, besteuert und verordnet. Wortschatz; Grammatik und Rechtschreibung unterschieden sich aber von Schreibstube zu Schreibstube. Nur Städte mit weiten Handelsverbindungen versuchten, eine Kanzleisprache zu entwickeln, die Überregional verstanden wurde.
Gutenberg um 1397-1468 Dass sich eine gemeinsame Sprache verbreiten konnte, ist auch Gutenbergs Idee vom Druck mit beweglichen Buchstaben zu verdanken. Von 1445 an erschienen die Bücher zwar noch auf Latein, doch allmählich ging den Druckern ein Licht auf: Deutsche Bücher haben mehr Leser und verkaufen sich besser. Dar mussten sie regionale Eigenheiten aus ihren Texten streichen. 1681 war schon die Hälfte aller Druckwerke auf Deutsch zu haben. Auch die Heilige Schrift wurde fleißig übersetzt: Bis 1520 gab es 14 hochdeutsche und vier niederdeutsche Versionen der Bibel.
Luther war also nicht der erste Bibelübersetzer - aber derjenige, der im 16. Jahrhundert am meisten Furore machte. 1522 kam seine Version des Neuen Testaments heraus, 1534 folgte seine erste Vollbibel. Luthers Taktik: "Denn man mus nicht die Buchstaben inn der lateinischen Sprachen fragen, wie man sol Deutsch reden, wie diese Esel thun." Der schlaue Mönch mischte sich unters Volk. "Man mus die Mutter im Hause, die Kinder auff der Gassen, den gemeinen Man auff dem Marckt drumb fragen und den selbigen auff das Maul sehen, wie sie reden:" Für sie solle man Dolmetschen in ein Deutsch, dass die einfache Frau, der gewöhnliche Mann und ihre Kinder verstehen können.
Ein gekünsteltes Deutsch war die Norm, das nur Lateinkundige entziffern konnten, da es sich in Satzbau und Grammatik stark an Latein anlehnte. Luthers Deutsch war dagegen eingängig: "Wes das Herz voll ist, dem gehet der Mund über", hat er frei übersetzt: "Ex abundantia cordis os loquitur" steht im Original. "Wenn ich den Eseln sol folgen, die werden mir die Buchstaben furlegen und also dolmetzschen: Aus dem Überflus des Hertzen redet der Mund. Sage mir, Ist das deutsch geredt? Welcher deutsche verstehet solchs?"
Als Grundlage diente Luther die Schreibsprache der sächsischen Kanzlei, die vom bairisch-fränkischen Raum geprägt war. Allerdings folgte er ihr nur in der Rechtschreibung. Wortschatz, Satzbau und Stil sind Marke Eigenbau. Schlicht und derb, ungezwungen und natürlich wirkte Luthers Sprache. Feuereifer, Herzenslust und Sündenangst - das sind seine Wortkreationen. Regelmäßig eingestreute Füllwörter wie ja, doch, denn, nur, allein, sonst oder schon machten die Texte flüssiger. Er malte Bilder wie "Eine feste Burg ist unser Gott", ließ deftige Redensarten fahren ("Warum furzet und rülpset Ihr nicht? Hat es Euch nicht geschmacket?") und würzte mit eingängigen Sprichwörtern: "Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach".
Diese Sprache kam gut an. Luthers Bibel hatte eine geschätzte Auflage von 100 000 Stück. Sie war ein Massenmedium, das überall gelesen wurde. Der Einfluss des Reformators auf die Sprache ist entsprechend groß. Manchen gilt er deshalb gar als Schöpfer des heutigen Deutsch. Der Doktor der Theologie war jedoch kein Philologe, Regeln hat er weder für Syntax noch Rechtschreibung aufgestellt. Dafür brauchten Grammatiker und Lexikographen noch über 300 Jahre. In Ermangelung eines politischen oder kulturellen Zentrums für das deutsche Sprachgebiet wurde erst um 1900 eine Einheitlichkeit erreicht. Aber auf diesem Stand ist die deutsche Sprache nicht stehen geblieben. Nun schreibt man Schifffahrt mit drei f und das englische Wort cool steht im Duden. Diese Entwicklung ist unaufhaltsam. Wenn Kids im Internet chatten, sind sie eben nicht mit "Herzenslust", sondern "voll fett" dabei.

 

Quellennachweis

Buch "Hohenlohe" von Otto Bauschert
Buch "Leben in Hohenlohe" von Helmut Starrach
Buch "2000 Jahre Chronik der Weltgeschichte" vom Chronik-Verlag
Buch "Pfedelbach 1037 - 1987" von der Gemeinde Pfedelbach
Heft "GEOEPOCHE - Das Millennium"
Heft "GEOEPOCHE - Das Mittelalter"
Zeitung; Artikel aus dem "Haller Tagblatt"