Hier gibt es dies und jenes aus dem Leben der Leute von 1875 bis 1910
Diese Seite will nur einen groben Überblick, der Entwicklung in der Zeit von 1875 - 1910 aufzeigen, um so besser die Welt
meiner Ahnen verstehen zu können. Dabei geht es mir nicht darum, die deutsche Geschichte genau zu erfassen, sondern
Ereignisse aufzuzeigen, die für das Leben der einfachen Leute wichtig wurden.
Alles andere würde den Rahmen dieser Homepage sprengen.
Die wichtigsten Schlagworte
Sitte und Brauch in Waldenburg um 1900
Im Jahre 1900 stellte der damalige Unterlehrer Bergmüller "volkstümlichen Überlieferungen" seiner Zeit in Waldenburg zusammen.
Im Alltagsleben
Das Aufstehen erfolgt im Sommer um 4 bis 1/2 5Uhr: geht es ins Mähen, so beginnt dasselbe schon um 1/2 2 bis 2 Uhr
morgens. Winters fällt die Zeit des Aufstehens zwischen 6 und 1/2 7 Uhr. Die Morgenmahlzeit wird etwa l Stunde nach
dem Aufstehen eingenommen.
Zwischen 11 und 12 Uhr erfolgt die Mittagsmahlzeit. Fast überall wird vor Beginn und am Ende derselben ein Gebet
verrichtet. Solche Gebete sind neben "Komm Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast"
folgende:
"Diese Speise segne uns Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der heilige Geist. Amen."
"Lobet den Herrn alle Heiden und preiset ihn, alle Völker, denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns bis
in Ewigkeit. Amen."
Das Gebet besorgt die (älteste) Großmagd, die große Tochter oder die Mutter selbst.
Das Abendessen findet um 7 bis 1/2 8 Uhr statt, sommers kann es oft auch 1/2 9 Uhr werden. Zwischen Mittag- und
Abendmahlzeit liegt das Vesper, auch »Zundernesse« genannt.
Die Abende werden mit Flicken und Stricken, Nähen und Häkeln ausgefüllt. Sitzt der Vater, ermüdet von der Arbeit,
nicht im Sessel, so liest er ein Buch (der Sessel heißt "Altvatter-sessel"}.
An den Winterabenden werden die sogenannten "Vorsitzen" abgehalten. Die Mütter mit ihren
Kindern machen sich gegenseitig Besuche, wobei mit Most, Gesälzbrot, Äpfeln, Nüssen etc. aufgewartet wird. Dabei
werden Geschichten erzählt, Schwarzer Peter gespielt (derjenige, der ihn zuletzt behält, wird angerußt),
Mühle gezogen und gesungen. Irgendein Geschäft (Strickarbeit) gehört immer in die Hand.
Ebenso versammelt sich die reifere Jugend, wobei ein Tänzlein nicht fehlen darf, zu welchem irgendein Meister
auf der "Zuchorichel" (Zugorgel) bzw. der "Uff-und-zua" aufspielt.
Auch das Spinnen trifft man winters noch bei einzelnen Müttern und Großmüttern.
Ehe man zu Bettgeht, macht man an die Stubentür ein Kreuz, daß keine Hex herein kann: ebenso muß der Tisch
abgeräumt sein, daß die Engelein darauf tanzen können.
an Fest- und Feiertagen
Am Adventsfest holt man "Wedel" von Holder, Kastanie oder Kirschbaum. Dieselben werden in
warmes Wasser gestellt, welches jeden Tag erneuert wird. Bis Weihnachten hat ein solcher Wedel ausgeschlagen und
bildet dann den Ersatz für einen Christbaum; außerdem erwartet man, wenn derselbe schön blüht, ein gutes Frühjahr,
ein gutes Jahr überhaupt. Am Thomasfeiertag gießen die ledigen Mädchen Blei, um aus dem Bleigebilde den Stand des
Zukünftigen herauszuklügeln. Das tun oft auch die Jünglinge. Ferner soll man nackt und "hinterschefür"
(rückwärts) die Stube auskehren, dann sieht man den Zukünftigen.
Die 3 letzten Donnerstage vor Weihnachten sind unter dem Namen "Ouklöpferle" und
"Knöpflesnacht" bekannt. An diesen 3 Tagen soll man nämlich Spätzle kochen, den Rührlöffel
nicht abspülen und am Thomasfeiertag mit in die Kirche nehmen. Dann sieht man, wer eine Hexe ist. Dieselben sitzen
nämlich alle verkehrt und haben Melkkübel, Kupferhäfen etc. auf dem Kopf. Man muß aber, ehe es das Vaterunser läutet,
aus der Kirche und in ein Haus hineingehen, dessen Tür auf der Giebelseite ist, daß einem keine Hex nachgeht: tut
man das nicht, so geht's einem schlecht. Die Kinder singen in den 3 Ouklöpferle vor bzw. in den Häusern, um ihr
Säcklein, das sie oft bei sich tragen, mit Äpfeln, Hutzeln, Ausstecherle, Lebkuchen etc. füllen zu lassen. Aber erst
am dritten dieser Donnerstage sind die Leute gewillt, ihnen eine Gabe zu reichen. Das Repertoire der Sänger ist ein
sehr reichhaltiges. Daß auch der Humor dabei zur Geltung kommt, werden einige der aufgeführten Verse beweisen.
"Ouklopfe Hämmerli,
s Brot leit im Kämmerli,
s Messer leit dernewe,
Sollt mr a rechts Stuck gewe,
Äpfel raus, Bire raus,
Gäh i widder in a anders Haus.
Die Rose, die Rose,
die wachse uff im Stock.
Der Herr isch sehe, der Herr isch sehe,
die Fraa isch wie a Zuckerdock!
Ouklopfe Pfannestiel,
reicht Bäuri gebt nur viel.
Gebt mr a rechts Stück Brot,
sunscht schloch i di dot!
Jetz bitt i um a Äpfele,
jetz bitt i um a Nuß.
Der Pfarr der geit dr Pfäffi
an recht schöni Kuß!
Ouklopfe sterzel,
dei Fraa isch a Berzel,
dei Mou isch a Brummet
Brummelt heut de ganze Dooch!
Wo ist Jesus, mein Verlangen,
mein Geliebter und mein Freund?
Wo ist er denn hingegangen,
wo mag er zu finden sein?
Mein Seel ist sehr betrübet,
mit viel Sünden abgemacht,
wo ist Jesus, den sie liebet,
den sie suchet Tag und Nacht?
Jetzt kommt die heil'ge Weihnachtszeit,
die macht uns eine große Freud;
gebt uns doch nur ein klein Geschenk,
daß Jesus Christus an Euch denk!
In den Zwölf Nächten soll man einen Faden spinnen, ohne denselben zu netzen, so gibt derselbe ein Mittel gegen
Kopfweh. Bindet man ihn nämlich an die Stirn, so hört das Kopfweh auf.
In den 12 Nächten nach 12 Uhr sprechen die Kühe.
Am Heiligen Abend soll man 12 Zwiebelschalen, in jeder etwas Salz, vor das Fenster stellen. Daraus, ob sich viel
oder wenig Wasser in denselben bildet, kann man schließen, welcher Monat ein nasser oder ein trockner werden wird.
Legt man Futter hinaus und gibt es dem Vieh am ändern Morgen nüchtern zu fressen, dann lauft es nicht auf.
Sieht man in der Christnacht zwischen 11 und 12 Uhr zum Fenster hinaus, so sieht man, ob jemand stirbt oder ob eine
Taufe stattfinden wird. In den 12 Nächten soll man keine Schuhe schmieren, d.h. mit geschmierten Schuhen den Stall
nicht betreten, sonst bekommt das Vieh eine Krankheit.
Ferner soll man keine Nägel scheren, sonst bekommt man böse Finger, ebenso kein Haar scheren lassen, weil es sonst
Kopfweh gibt. Auch soll man nichts "Kerniges" (Erbsen, Bohnen, Linsen) kochen, damit man keine Geschwüre
bekommt.
Der Pelzmärte, der am Heiligen Abend kommt, ist ein gefährlicher Gesell. Er ist mit Kette, Sack, großem Wergbart,
Schlosser, wohl auch mit Hörnern ausgerüstet, ist angerußt oder hat ein "Schlaraffegsicht" auf.
Das Gegenstück zu ihm ist das "Christkindle" mit weißem Kleid, Schleier, Glöckle und Rute.
Es fragt: "Sind die Kinderle au brav? - Kannst Du auch beten?" - worauf dann ein Kind etwas
spricht, z.B.
"Christkindle kumm,
mach mi frumm,
daß i zu dir
in Himmel kumm."
Lachende Buben haben einen Rutenschlag zu gewärtigen, während das schön betende Töchterlein ein "Guetsle"
bekommt. Am Stephanstag soll man kein Fleisch kochen, wenn man Vieh hat.
In der Neujahrsnacht (Silvester) hat der Schäfer früher geblasen. Das Schießen ist noch immer Sitte.
In der Silvesternacht soll man drei Gesangbuchlieder aufschlagen. Dieselben werden einen in die Zukunft blicken
lassen. An Neujahr werden die Neujahrsringe gebacken: mit einem solchen beschenkt der "Bue" seine Erwählte.
Ärmere Kinder wünschen das Neujahr, um eine Gabe zu erhalten. Die Patenkinder wünschen ihrem "Doute"
das Neujahr und erhalten einen Neujahrsring oder auch Geld. Von Neujahrswünschen seien hier genannt:
Ich bin ein kleiner Mann,
der nicht viel wünschen kann.
Prosit Neujahr!
Ich bin a klaaner Kenig,
Gebt mir net zu wenig,
Lass mi net sou lang do steih,
I muss heut aa no weiter geih!
Der Lohn für dieses Wünschen ist ein gebackenes "Moule" oder "Frale" oder Geld.
Am Neujahrsfest soll man ein neues Kleidungsstück anziehen, dann ist man das ganze Jahr schön, auch bekommt man dann
kein Fieber.
Das "Erscheinungsfest" (6. Januar) wird auch "OberstTag" genannt. An demselben wird der Christbaum
geleert: denselben soll man dann unter das Dach schieben, daß kein Blitz einschlägt.
"Lichtmeß":
Sprüche zum hier stattfindenden Dienstbotenwechsel:
Lichtmeß kommt her
und mei Herzte wird schwer.
Ein Sechser wed i gewe,
wenn Lichtmeß net wär.
Heut ist mein Wanderstag
morge mei Ziel;
schickt mi mei Bauer fort,
geit mr net viel.
So denkt und sagt wohl manches, das gewisser Gründe halber noch gern länger am Platze bleiben möchte.
Ganz anderen Sinn verrät folgendes Verschen:
Heut ist der frohe Lichtmeßtag,
da bin ich munter und frisch.
Da pack ich meine Kleider zusammen
und setz mich hintern Tisch.
Ei, Bäurin hol den Beutel rei!
Ei, Bauer, zahl mi aus!
Ihr habt scho oft a Suppe kocht,
hat au net kräftig gschmeckt.
I hab scho oft a Arbeit ghabt
hab au net wale gmacht.
Ja, früher war es eben noch ganz anders, versicherte mir jemand. Da hat ein Knecht auch noch Kleider gehabt, und zwar
Hemd und Hosen, mit der Hand gewoben, aber jetzt haben sie so "kaufte Fetze", die gleich
zerreißen, wenn man kaum recht hinlangt.
Der Knecht packte seine Sachen in Säcke zusammen, und er hatte wirklich oft so viel, daß oft vier oder fünf seiner
Kameraden mit ihm gingen, um sein Zeug zu tragen. Er selbst hatte nur Peitsche und Stock. Wenn er nun sein Ziel
antrat, so knallte er dreimal vor dem Haus, so mußte der Bauer heraus bis unter die Haustür und sagt:
"So kummsch jetz: gäh norr nuffund ess' z' Nacht mit Deine Kammerade!" (Kommt der Bauer nicht
heraus, so geht der neue Knecht wieder fort.) Dann gibt's "Kraute-flaasch" (Kraut und Fleisch)
und "Mouscht" (Most) genug. Zuletzt wurde noch gesungen bis nachts 12 Uhr.
Die Mägde brachten ihre Sachen im Korb: bei diesen mußte die Bäurin heraus. Dann gab's Kaffee und Küchlich. Nach
der Stärkung sagte dann die Bäurin: "Jetzt räumt uff und räumt Eure Sache ei'!"
An Fastnacht backt man Küechlich. Das Küchlesschmalz ist für alles gut, z. B. für eine böse Hand und für Kühe, wenn
sie ein böses Euter haben.
Die Asche streut man in den Hühnerstall, dann werden die Hühner nicht "laufich", bekommen überhaupt kein
Ungeziefer.
An Fastnacht soll man Salat säen, auch soll man hopfen, daß der Flachs gerät.
Wer an "Faßnacht" bei Tag ißt, wird das ganze Jahr bald fertig. Von allem, was man an Fastnacht ißt, soll
man in einen Hafen tun und dem Fuchs hinaustragen in den Fruchtacker. Dabei spricht man:
"Da, Fuchs, hasch aa von meiner Fosenacht! Laß mir des Johr mei Hühner und mei Gans in Rueh!"
Die Jäger gehen an diesem Tag nicht in den Wald, weil der Teufel draußen ist.
"Guckt mer an Faßnacht in de Schmalzhofe, so griecht mer ka Roßmugge!" (Roßmucken, Sommersprossen)
Der Aschermittwoch ist der "Pfeffertagg" oder "Guggeles-tagg". An demselben
steht man bald auf und pfeffert die noch Liegenden mit einer Rute heraus.
An Lätare oder an den Märzfreitagen holt man die "März-wärschtlich" (Märzenwürste an den
Haselnußsträuchern). Dieselben gibt man dem Vieh ein, daß es recht Milch gibt.
"Osterzeit:"
In der Karwoche soll man keine Lauge machen und nicht waschen. Am Palmsonntag läßt man Salz, Palmwedel, Buchs, Stengel
vom Sefenbaum etc. weihen, steckt dieselben ins Haus: das ist gut gegen Hexen, gegen Gewitter und im Stall fürs Vieh.
Eine Palmbretze schenkt der Liebhaber seinem Schätzle. Hat man "eine ufder Latte" und will man
ihr deshalb einen Schimpf antun, so malt man ihr mit Kalk eine Bretze an die Haustür oder hängt ihr eine Strohbretze
an ihren Laden oder womöglich auf einen hohen Baum in der Nähe, damit man dieselbe nicht so schnell entfernen kann.
Gründonnerstag ißt man hier nüchtern morgens Bretzen, damit man kein Fieber bekommt. Mittags ißt man
"grüne Knöpfle:" in dieselben soll man nämlich allerhand Grünes hineinschneiden, und zwar
neunerlei! Sät man am Gründonnerstag Blumen, so werden dieselben "gefüllt". Die Eier, welche an
Gründonnerstag und Karfreitag gelegt werden, soll man am Ostersonntag nüchtern essen, dann schwindelt's den
Betreffenden, z.B. Zimmer- oder Maurersleuten, nicht bei der Arbeit: essen sie ein weißes Ei von einem schwarzen
Huhn, so verderben sie sich nicht, zum Beispiel beim schweren Heben.
Karfreitagmorgens soll man nüchtern und unbeschrieen, ehe die Sonne aufgeht, das bekannte Karfreitagswasser
holen. Dasselbe muß von einem fließenden Wasser (hier der Balsenbach) geholt werden und muß gegen den Strom
aufgefangen werden. Dieses Wasser, auch jahrelang aufgehoben, wird nie schlecht und besitzt die Eigenschaft,
allerlei Böses zu heilen, z.B. Zahnweh, Krätze: auch ist es fürs aufgelaufene Vieh gut. Mit diesem Wasser wascht man
sich nicht nur an Karfreitag, sondern auch, wenn man irgendwie krank ist.
Vieles ist an Karfreitag verboten, so z. B. Fleisch zu essen, Wasser zu holen, etwas aus dem Haus zu geben, etwas
zu trinken (in letztem Fall beißen einen sonst die Schnaken).
Man soll ferner kein Bein in einen See oder eine Pfütze werfen, sonst quaken die Frösche nicht.
Wenn jemand ein Leiden hat, so verspricht er am Karfreitag zu fasten und gibt dann auch ein größeres Opfer,
2 oder 3 Mark.
Am Osterfest werden die Kinder von ihren Eltern mit Eiern beschenkt. Der "Hos" hat sie an
irgendeinem verborgenen Winkel des Gartens oder der Scheuer gelegt, und nun ist es die Aufgabe der Kleinen, des
Hasen Niederlage zu finden.
Ihre Bitte an denselben lautet:
Hos, Hos, leich ei!
Leich mr a recht schös Gaggele ei!
Morche will i brav sei!
Am Osterfest oder auch am Ostermontag holen die Kinder allein oder auch in Begleitung eines der Eltern
den Osterhasen beim "Doutle" ab. Dabei gibts zuerst Most und Brot und dann Kaffee. Außer den
Eiern bekommen sie noch eine große Osterbretzel.
Ostereier und Bretzeln läßt man sich gerne weihen. Die Eier-schalen soll man an die vier Ecken des Ackers legen.
Am ersten Tage des April werden die Kinder "in den Aprilen geschickt", etwa zum Kaufmann, um für 3 Pfennig
"I-bin-dumm" zu holen, oder man gibt ihnen einen Zettel zum Besorgen, welcher etwa
folgenden Inhalt hat:
Heut ist der 1. April,
man schickt den Narre hin, wo man will.
Schickt mr ihn weit,
so wird er gscheit.
Schickt mrn nah,
isch er bald wieder do.
Am Ersten Mai pflanzt der Bub derjenigen, die er gern hat, einen Maibaum (gewöhnlich eine Birke) vor das Haus:
hat er aber "aani ufm Zuuch", so steckt er ihr statt eines solchen ein Dornbüschele oder einen
"störbide Bese", was natürlich allgemein als großer Spott gilt; und nicht selten fließen deshalb
Tränen.
Maitau ist gut gegen "Roßmucke".
Himmelfahrt: "Himmelfahrtsblümlich" werden am Himmelfahrtsfeste vor Sonnenaufgang gesammelt und zu
Kränzchen gebunden. Letztere hängt man im Haus auf: sie schützen vor Wetterschlag.
Derjenige, der an diesem Fest zuletzt aufsteht, wird der "Auffahrtsknetzel", während er am
Pfingstfest der "Pfingstknetzel" genannt wird. Steht man dagegen am letzteren Fest
bald auf, so steht man das ganze Jahr gern auf.
Johannestag: Am "Hanstag" holt man Kümmel und Kamillen. Das Flicken und Stricken soll an
diesem Tag unterbleiben, sonst ziehen einem die Gewitter nach.
Kirchweih: Auf der "Kärwe" wird allgemein "Plotz" gebacken, auch
Weißbrot (Kuchen) darf nie fehlen. Am "Kärwementich" vergnügt sich die Jugend auf dem Tanzboden.
Früher ist man in der Stadt, in Ober-, Untermühle und Ziegelhütte herumgezogen, voraus die Musik, um die Paare
abzuholen. Dabei kreisten immer wieder die "Maßkante" und der weiße Laib Brot.
Hatte man auf diese Weise alles beieinander, dann ging's im Zug zum Tanzboden. Jeder "Bub" hatte dabei sein
Mädle mit und hielt es frei, vielleicht leistete er sich auch einen "Freitanz" mit ihr, der ihn eine
Extramaß für die Musikanten kostete.
Jedes Mädchen nahm einen Laib weißes Brot mit, von dem sie und ihr Verehrer den ganzen Abend aßen. Um Mitternacht
gab's ein Essen, und später folgte dann der Kaffee. Den Rest von den Laiben packten die Musikanten zusammen.
Am Dienstag wurde die Kärwe "vergrowe". Die Burschen gruben ein Fäßle, in dem wohl noch ein Rest
des feuchten Inhalts war, in die Erde und stimmten dabei ein recht ergötzliches "Geheul" an. Vielleicht
stand ihnen dabei das Verschen vor Augen:
Wenn die Kärwe isch vorbei,
no ißt mr widder Aebirnbrei.« (Erdbirnenbrei)
An der Kärwe pflegte man auch einen Hammel herauszuspielern (zu kegeln).
An Allerseelen gibt es sog. "Seelenweck". Der Gedanke an den bald abzuleistenden Martinizins
mag wohl den Genuß derselben verbittert haben, was nachfolgender Spruch beweisen dürfte:
Heut isch Allerheilige,
morgen Allerseelen.
Nochher kummt Aller- Teufel
und will Geld.
An Martini (es gibt auch "Martinischiffle" mit aufgedrücktem Model-Zopf), kommt der
"Nüssmärte" und läßt Nüsse zur Tür hereinfallen (vom Liebhaber für sein Mädle).
Unglückstage sind
der 1.April (Geburt des Verräters), 1.August (als der Teufel vom Himmel geworfen wurde),
1.Dezember (Untergang von Sodom und Gomorrha).
Rapsblütenfest
Bis in die sechziger Jahre wurde hier am I.Mai das "Rapsblütenfest" gefeiert, welches von nah und fern sehr
stark besucht wurde (im Adler allein waren oft über 50 Chaisen eingestellt). Von dem freien Platz vor dem Schlosse
ergötzten sich jung und alt an dem Anblick des in frischem Grün und Gelb prangenden Anblick des Hohenloher Landes.
Abends war dann Ball.
Kinderfest
Alljährlich feiert man hier ein Kinderfest, welches am Geburtstag Ihrer Durchlaucht abgehalten wird. Vormittags findet
in beiden Kirchen Festgottesdienst statt. Nachmittags begibt sich der Festzug zuerst in den Schloßhof. Dort werden die
Kinder beschenkt, wobei die vier Schulbesten besondere Berücksichtigung finden.
Hierauf zieht man auf den Festplatz, wo die Schüler mit Wurst, Brot und Bier gelabt werden. Der Kletterbaum, der sich
in der Mitte des Platzes erhebt, gibt der klettergeübten Jugend Gelegenheit, sich einen Preis zu holen. Unter Gesang
und den üblichen Spielen wie Sackhüpfen, Wurstschnappen etc. verläuft der Nachmittag, den die Haller Musik noch durch
ihre Weisen zu würzen versteht. Abends ist Ball.
Fürstengeburtstag
Am Geburtsfest Seiner Durchlaucht findet neben dem Kinderfest mit Beschenkung nachmittags ein Taubenschießen statt.
Aus der Mitte eines von den Schützen gebildeten Kreises werden die Tauben, 100-150 an der Zahl, eine nach der ändern
aufgelassen, wonach sie dann von den Jägern herabgeschossen werden.
Zu den allgemeinen Volksbelustigungen gehören Tanz und Kegelspiel.
Während des Lebenslaufes
Geburt
Eine schwangere Frau soll unter keinem Wäscheseil durchschlupfen, soll von einem Stück Vieh männlichen Geschlechts
nichts essen; stiehlt sie, so stiehlt das Kind auch. Geht sie hoch hinauf, so wird das Kind schwindelfrei.
Die Kinder kommen vom "Rädlesbrunne", der Storch bringt dieselben. Man legt ihm vorher einen
Zucker hinaus vor das Fenster; er nimmt ihn weg und bringt dafür dann ein Brüderchen oder Schwesterchen.
Nach einer Geburt soll man 3 Tage lang nichts aus dem Haus geben. Die Wöchnerin bekommt zuerst eine ungesalzene
Suppe oder eine solche mit drei "Bisslich" Salz, daß keine Hexe beikann.
Der Vater muß das Kind zuerst küssen, dann tut man dem Kind etwas Scharfes (Schermesser) in die Wiege und ein
Salzbrot in das Tragkissen, daß keine Hexe beikann. Der erste Gang der Wöchnerin geht zur Kirche. Dabei soll sie
drei Bißle Brot und 3 Bissle Salz im rechten Schuh und in der Tasche das Nabele, das wegfällt, mitnehmen. Diesen
Wegfall soll sie dann unter einem Rosenbaum vergraben, aber unter keinem weißen, sonst bekommt das Kind keine roten
Wangen. Die Taufe fand früher 14 Tage nach der Geburt statt, jetzt bälder. Solange das Kind nicht getauft ist,
brennt von einem Betläuten zum anderen ein Licht.
"Dotle" wird der Onkel und Tante, also die nächsten Verwandten. Das Jüngste muß das Kind über
den Taufstein heben, auch darf nur das gleiche Geschlecht heben. "Ischs Kind a Buw, no muess a Mannsbild
üwwer de Taufsta heiwe" bzw. umgekehrt. Solange man das "Doutegeld" in der Tasche
hat, soll man nicht das Wasser abschlagen, sonst wird das Kind ein Bettnässer. Dem ersten Buben gibt man gern den
Namen des Vaters, den ändern Kindern legt man den Namen der Paten bei.
Wohl hört man hie und da die Namen Annemie, Evmarie oder Christina-Dorle, aber die Sucht, sich "bessere"
Namen beizulegen, ist allgemein. Kommt man von der Kirche nach Haus, so überbringen die Paten ihren Glückwunsch
und übergeben dann das "Doutegeld".
Hierauf folgt der Schmaus, bestehend in Nudelsuppe, Rindfleisch und Meerrettich, dann Kaffee. Nachts folgt
Schweinefleisch.
Wollte der Wein zu Ende gehen, so hat man es den zu lange Verweilenden wohl folgendermaßen begreiflich gemacht:
's isch hell und schei,
's kou geh wer will.
Gvatteri, do isch euer Säckle.
Ehe man zur Kirche geht und wenn man von derselben nach Hause kommt, betet man ein Vaterunser.
Damit das Kind gut lernt und gottesfürchtig wird, gibt man ihm ein Blatt von einem alten Gebetbuch ins Kissen.
Ein Mädchen, im Zeichen der Jungfrau getauft, gibt ein liebevolles, wird eins im Zeichen des Stiers getauft,
so gibt's ein "rauhbörstiges".
Liebes- und Eheleben
Dem Hochzeitstag geht der Heiratstag voraus. An ihm wird das Heiratsgut unter Beiziehung des Schultheißen schriftlich
festgelegt. Dabei gibt's Nudelsuppe, Fleisch und Kraut und Bier; schon vorher wurde tüchtig darauf gebacken.
Statt des Rings gab man früher den Eheleuten den Ehetaler, welchen man sorgfältig aufhob und nur in äußerster
Not ausgab.
Wollte ein Paar seinen Verspruch geheimhalten, so machte irgendein Bruder Lustig sich das Vergnügen, während des
Essens ein Huhn hereinkrähen zu lassen, zum Zeichen, daß es eben doch kein öffentliches Geheimnis mehr sei.
Um nun einen oder eine, die eben eines der beiden auch gern gehabt hätte, zu hänseln, streute man dem Betreffenden
bis zum Haus seiner (oder seines) vergebens Umworbenen Spreuer, was natürlich viel Spott einbrachte.
Ist die Braut von auswärts, so trifft einen oder zwei Tage vor der Hochzeit der Aussteuerwagen ein. Auf demselben
prangt eine Wiege, ein Straußbrett, ein Rocken mit Flachs angelegt und ein Kinderkleidle daran gehängt, ferner
Haspel und Kunkel. Auch gehört unbedingt dazu ein Laib Brot, ein "
" Mehl, Hutzel und ein Besen.
Vor dem Anfahren des Brautwagens werden 3 Vaterunser gebetet, ferner wird ein Glas Wein ausgetrunken und
dasselbe so weggeworfen, daß es nicht zerbricht.
Beim Anfahren muß dreimal angezogen werden. Die Begleiter des Wagens haben ein rotes Taschentuch um den Hut gebunden.
Beim Abladen "verschiebt" man gern das Bett und zieht die Wiege wohl gar hinauf ins Gebälk. Wer
das Versteckte wiederbringt, erhält ein Trinkgeld.
Der "Hochzeitlader" ladet die von den Brautleuten zu Gästen Bestimmten ein. Fragt man ihn:
"Gehts au recht um?" so antwortet er: "Ja, 's geiht 12 Rieht, 6 leere und in 6 isch
nix drin." Früher hielt man am Dienstag und Sonntag Hochzeit, jetzt donnerstags oder samstags. Die
Jahreszeit der Hochzeit ist oft verschieden, doch wird wohl noch immer das Versle Bedeutung haben:
Zwische Oschtere und Pfingschte,
do isch die schönst Zeit,
do poore sich d' Vögel
und viel junge Leut!
Beim Kirchgang nimmt die Frau den Löffel ihres Bräutigams bzw. Mannes ein, daß er gern heimgeht.
Am Altar sollen die Brautleute nah zusammenstehen, daß nichts dazwischen kann. Wer die Hand (beim Händehalten) oben
hat, wird Herr im Haus.
Beim Nachhausegehen sucht die Frau zuerst ins Haus zu kommen, dann wird sie Herr. Das Essen ist meistens im Haus.
Ist dasselbe vorbei, so kommt noch eine große zugedeckte Schüssel. Niemand will den Deckel lüften. Der Bräutigam muß
es schließlich tun, und unter allgemeinem Gelächter befördert er "Kinderkleidle" und
"Schlutzer" ans Tageslicht.
Hierauf kommen die "Hochzeitssträuße", die verpackt und adressiert in einem Korbe
beieinanderruhn, zur Verteilung. Das Brautpaar wird dabei besonders geneckt, indem z.B. aus einem großen Paket ein
dutzendmal eingewickeltes "Wickel-kindle" sich herausschält.
Den ganzen Tag soll die Braut ihren Kranz nicht vom Kopfe tun.
Teils vor, teils nach der Hochzeit laufen die "Hochzich-gschenk" von Verwandten und Bekannten
ein. Wer bei der Hochzeit war, gibt mehr. Die Erste "Hochzichmagd" gibt gewöhnlich ein Kittele
und ein Häuble.
Das Schießen beim Einzug und bei der Hochzeit ist immer noch Sitte: die Schützen werden vom Bräutigam dafür mit einem
Faß Bier regaliert.
Früher trug jeder der Hochzeitsgäste einen langen Rosmarinzweig im Knopfloch. Die "Hochzichmägd"
haben diejenigen ihrer "Hochzichknecht" ausgeführt und in die Erde gesetzt. Wollte sich ein Bub
seines Mädchens gewiß versichern, so brachte er ihr ein "Schiffte", das er vorher unter seinen
Arm gelegt hatte, und gab's ihr zu essen, dann konnte sie nimmer von ihm lassen.
Krankheiten und Heilmittel
Gegen Warzen gibt es die verschiedensten Mittel: Schöllkraut, "Fensterschwitzich", Ohrenschmalz,
Nußblüte, die Hand in Löschwasser (beim Backen) waschen; beim Backen soll man Salz in Backofen werfen, dann aber so
rasch davonlaufen, daß man es nicht mehr krachen hört und die Warzen dabei reiben, dann vergehen sie. Reibt man
schwarze Schnecken auf dieselben oder wäscht man sich bei einem Begräbnis ab und spricht dazu:
Jetzt läutet man dem Toten ins Grab,
jetzt wasch ich meine Warzen ab,
so vergehn sie auch!
Gegen einen "bösen" Finger ist Meerzwiebel gut: Wunden heilt Spitzwegerich, gegen Husten wird Eibisch,
gegen Bauchweh Stiefmütterle oder Pfefferminztee eingenommen. Gegen Kopfweh tut das geschabte Grüne vom Holunder
gut, das unter der äußern Rinde sitzt.
Gegen Zahnweh werden 3 "Elefantenläus" eingenäht und als Amulett um den Hals getragen. Der
Volksmund weiß noch ein weiteres Mittel gegen Zahnweh: "Mr schlackt an Kuhfuß sou lang ums Maul rum, bis d'
Klaue wegfahre! Probatum." Wenn jemand das Wasser nicht lassen kann, so hilft Peterlingsamen. Gibt man
einem Täufling einen Wurm in der Hand mit zur Kirche, so kann dieses Kind den Wurm am Finger heilen, sowie
dieses Kind den kranken Finger in seine Hand nimmt. Einen Bruch heilt man folgendermaßen: Wenn der Vollmond eintritt,
muß man ihn auf das kranke Kind scheinen lassen und dreimal dazu sprechen:
Guter Mond, du kommst gegangen,
Schau und stille mein Verlangen,
Sieh hier diesen Schaden an:
Gefällt er dir, so nimm ihn mit;
Gefällt er dir nicht, so laß ihn stille stehn.
Jedesmal muß noch ein Vaterunser dazu gebetet werden. Oder: Man nimmt Haare vom Wirbel des Kindes und bindet sie in
der Karfreitagsnacht in eine Weide: wie die Weide wächst, so vergeht der Bruch.
Gegen verbrannte Haut ist Spiritus oder rohe Kartoffel gut. Ein Schnapsbruder wird von seiner schlimmen Passion
geheilt, wenn man ihm von dem Wasser, mit dem man die Toten abwäscht, zu trinken gibt.
"Sympathie" wird immer noch mannigfach angewandt: das Buch von "Albertus Magnus, Bewährte und
approbierte sympathetische und natürliche ägyptische Geheimnisse für Menschen und Vieh" befindet sich in
mancher Hand.
Tod und Begräbnis:
Tritt ein Todesfall ein, so soll man die Blumenstöcke und Uhr rücken und an den Most klopfen.
Bei dem Toten brennt nachts ein Licht: die Träger, gewöhnlich Nachbarn, halten die Totenwache.
Am Sterbkleid soll man nichts knüpfen, sonst kann der Tote nicht verfaulen.
Wird der Sarg geschlossen, so soll er auf dreimal zu sein. Dem Toten soll man eine Schapfe Wasser nachschütten,
daß er nicht wiederkommt.
Man soll ferner dem Verblichenen nicht ins Gesicht weinen, sonst hat er keine Ruhe.
Ins Grab gibt man gewöhnlich dem Toten eine Zitrone in die Hand. Hat man Wanzen im Haus, so gibt man, um sie zu
vertreiben, dem Toten 3 Stück mit.
Beim Leichenzug hat das Geschlecht, dem der Tote angehörte, den Vortritt.
Zum Abschied wirft man dem Toten 3 Bollen Erde ins Grab. Die Trauerzeit soll nicht genau ein Jahr ausmachen, sonst
hat der Verstorbene keine Ruhe, sondern man trauert vier Wochen weniger oder mehr. Ein halbes Jahr lang geht man
ganz schwarz, die andere Zeit in Halbtrauer.
Beim Haus-, Berufs- und Rechtsleben
Haus- und Feldwirtschaft:
Trifft der gemeine Mann jemanden, den er längere Zeit nicht gesehen, auf der Straße, oder sucht ihn dieser in seinem
Hause auf, so ist sein Gruß: "Gsundheit isch mr lieb" oder "Freut mi dei Wohlsei!".
Wartet er seinem Gast etwas auf, so trinkt er zuerst, bringt's ihm dann zu und sagt: "Gsundheit!"
Der andre erwidert dann: "Wohl bekomm's!" und tut "Bschaid". (Bescheid)
Morgens, wenn der Bauer zur Haustüre hinausgeht, lüpft er sein Käpple und sagt: "Gotts Noume!",
desgleichen tut der Knecht, wenn er fortfährt.
Wenn beim Buttern der Rahm schäumt, soll man ein Geldstück hineinwerfen.
Kauft man Hühner, so tut man sie dreimal um das Tischbein herum und läßt sie dann in den Spiegel gucken und durch eine
blaue Schürze hüpfen, so bleiben sie da. Ebenso macht man es mit Katzen.
Tut man ein Stück Vieh, das man gekauft hat, zum erstenmal in den Stall, so soll man dasselbe über drei Drudenfüße
laufen lassen, "daß kei Hex bei kann..."
Kalbt eine Kuh, so soll man drei Tage lang nichts aus dem Haus geben, auch gibt man 3 Almosen her, daß es das
nächstemal gut geht.
Hat sich eine Kuh dabei "verricht", so sucht man den Nutzen, streicht aufs Brot und gibt dasselbe
der Kuh zu fressen. Ist einer Kuh der Nutzen genommen, so soll man drei Freitage nacheinander verkehrt, d. h. auf den
Boden des Melkkübels melken, bis man ein paar Häfen voll hat. Dann soll man drei Scheitle Holz betteln, das Holz in
der Milch sieden und letztere dann der Kuh zu saufen geben, dann kommt die Hex.
Wenn man freitags melkt und es kommt eine Frau, der man nicht traut, und die Kuh gibt rote Milch, so siedet man
dieselbe in einer Pfanne und verhackt sie dann mit der Sichel, so verhackt man das Gesicht der Hexe.
Wenn ein Totes im Haus liegt, soll man das Vieh nicht aus dem Stall tun, sonst heult es ein ganzes Jahr lang bis auf
die gleiche Stund hin. Wenn man am Karfreitag oder Weihnachten zum Abendmahl geht, so nimmt man vom Fressen der
Hühner mit, daß sie kein Fuchs holt.
Beim Backen und beim Anschneiden des Laibes macht man drei Kreuze, daß keine Hex bei kann.
Im Zeichen des Krebses und Steinbocks soll man nicht säen, sonst wird das Aufgehende störrisch.
Steckt man im Zeichen der Jungfrau Bohnen, so blühen sie immer. Bohnen soll man vormittags stecken, weil da die Uhr
viel schlägt, dann hängen die Stöcke recht voll.
Beim Beginn des Säens sagt der Bauer: "Das walte Gott!" und wirft dann den Samen dreimal
kreuzweise: oft tut er dieses Geschäft auch barköpfig.
Vergißt man ein Beet anzupflanzen, so muß man in demselben Jahr noch sterben.
Beim Pflügen soll man nicht fluchen, sonst wachsen Disteln.
Beim Peterlingsäen soll man lachen, daß er aufgeht.
Bekommt man etwas zum Setzen geschenkt, so soll man sich nicht bedanken.
Wenn geeggt ist, soll man drei Vaterunser beten.
Der letzte Erntewagen wird bekränzt, die Schnitter gehen demselben singend voraus.
Am Sonntag darauf ist "Niederfallet" mit Küchlich, Fleisch und Bier. Ist ausgedroschen, so
schickt man einen von Haus zu Haus, um den "Balkestäuber" zu holen: meistens kommt er angerußt
zurück.
Wer den letzten Schlag tut, erhält die "Strohfut", ein Strohfraule. Am darauffolgenden Sonntag,
an dem die "Flegelhenket" gefeiert wird, gibt es ebenfalls Küchlich und Bier. Der Besitzer der
"Strohfut" legt letztere neben sich. Nimmt er sich ein Küchlich heraus, so sagt er:
"Mei Strohfut kriecht aa aas", und legt derselben auch eins heraus. So macht er's bei allen und
bekommt auf diese Weise das Doppelte.
Auf den Bäumen soll man drei Äpfel hängen lassen, damit der Baum auch noch eine Freude hat; ebenso läßt man etwas
Heu auf der Wiese liegen, damit die Wiese noch eine Zehrung hat. Für den Säutanzhüter läßt man hier noch einige
Zeilen Kartoffeln stehen.
Beim Säen des Hanfes muß man lange Schritte machen, daß der Hanf lang wird; Flachs soll man säen bei Sonnenschein.
Wenn sich ein Pferd nicht säubert, so ist Brechbohne und Hauswurzel gut. "Halbe Gaul" (Knöterich?)
ist für Durchfall der Kälber.
Obermennig ist gegen Wassersucht.
Für ein böses Euter ist Fastnachtsschmalz gut.
Aufgelaufenem Vieh zieht man ein Strohband durchs Maul, das vorher in Mistjauche getaucht wurde.
Bibern eile ist für Menschen und Vieh gut:
Ihr Leut, eßt Bibernell,
no sterbet ihr net all.
Wetterregeln/Bauernkalender
"Wenn's regnet an Jakob und Anna/no regnet's Nudeln in der Pfanne."
"Kräht der Hahn um Futterzeit, no isch morge wieder wie heut."
Schreit der Laubfrosch, dann regnet's
Regenwetter kommt auch, wenn die Ameisen schnell laufen und kleine Häuflein aufschocken, und wenn es ein Morgenrot
hat.
Wenn der Veit s' Häfele v er schüft,
dann bringt er Regenwetter mit.«
Geht der Dachs vor Lichtmeß raus, dann muß er vier Wochen wieder hinein.
Wenn die Katz im März an der Sonne sitzt, muß sie im April wider hinter den Ofen.
Regnet's an Fronleichnam, so bekommt man eine schlechte Heuet.
April naß/füllt Keller und Faß.
»Ist der April noch so gut/so schneit's dem Bauern auf den Hut.
Wenn es an 40 Ritter gefriert, so gefriert es noch 40 Tage lang. An den 3 Wetterheiligen gefriert es gerne.
An "Stierneu" gibt es gerne Eis.
Vorm 15.Mai soll man keine Gurken legen.
An Hiob legt man Bohnen.
Rettiche sollen im Zeichen des Fisches, nie im Zeichen des Krebses oder Skorpions stupfen.
Sitten beim Handwerk
Sind die Zimmerleut mit dem Aufschlagen eines Hauses fertig, so wird zuoberst am Haus ein Tannenbäumlein, mit
Taschentüchern und Bändeln behangen, befestigt, ein Zimmermann hält den Zimmerspruch, unter die Jugend werden vom
Dach herab Gaben geworfen, die ein jeder zu erhäschen sucht, man heißt dies "das Grapsen".
Nachher findet für die am Bau Beteiligten ein Schmaus statt.
Schuster und Schneider hauptsächlich arbeiten oft im Haus der Kunden, sie gehen ins "Ausschaffe". Von
Martini bis 25.März schaffen sie auch abends bei Licht.
Das große Taglohn zahlt der Meister vom Josephstag bis Gallus.
Rechts- und Verwaltungsbräuche
Ist der Verkäufer gewillt, seinen Verkaufsgegenstand um das Gebot des Käufers herzugeben, so schlägt er ihm ein und
gilt derselbe als erkauft. Oft gibt der Verkäufer ein "Aufgeld" zum Zeichen des
Handels-Abschlusses. Dieses Geld geht extra und wird nicht vom Verkaufspreis abgezogen. Hat der Bauer einen
Dienstboten gedungen, so gibt er ihm ein "Haftgeld". Der Gesindewechsel findet an Lichtmeß,
Jakobi, Walburgi und Martini statt:
Heut bin i s letztemol hie,
morge zieh i in aller Früh;
hob mei Bündele zammepackt
nei mein linke Housesack.
Wenn man "ansteht", so gucke man auf das Kamin, "dann tuts einem net auf."
Wenn man das Hemd "ewig" (verkehrt) anzieht, so bekommt man ebenfalls kein Heimweh.
Eine Magd holt zuerst einen Kübel Wasser.
"Wenn mr sein Löffel kennt, no hot mr gwount."
Den Hof erbt gewöhnlich der älteste Sohn. Solange die Geschwister noch unverheiratet sind, haben sie im Hause
Wohnrecht. Vater und Mutter leben im "Ausdingstüble".
Der Ausding wird gewöhnlich am Hochzeitstag "des Jungen" ausgemacht und geschrieben. Er besteht gewöhnlich
in Mehl, Eiern, Schmalz, Früchten, Gespinst, Kartoffeln, Wein; bei Handwerkern in Geld.
Die Frau des Schäfers hatte früher das Recht, im Ort mit einem "Krewe" herumzugehen, wo sie
dann von den Einwohnern die verschiedensten Nahrungsmittel wie Fleisch, Bohnen, Mehl, Brot usw. erhielt.
Der Marktverkehr geht hauptsächlich nach Michelbach, Künzelsau und Backnang.
Volks(aber)glaube
Wenn in einem Haus ein Geist geht, so versetzt man gern die Türe, Balken und die Schwelle, damit an einem ändern
Platz die Türe hereingeht.
Der Hexenglauben lebt noch immer im Volke fort. Besonders alten Frauen sagt man oft nach, schwarze Künste zu treiben.
Einen Obstdieb kann man auf folgende Art strafen: Man schneidet seine Fußstapfen heraus und hängt dieselben in den
Kamin. Der Dieb erhält die Auszehrung (Schwindsucht).
Begegnet ein Jäger morgens einer alten Frau, so erwartet er den ganzen Tag Unglück. Bekommt man von einer solchen
etwas geschenkt, so soll man es nicht allein essen, sondern lieber wegwerfen, sonst ist man selber eine Hexe.
Spricht man dienstags oder freitags von Hexen, dann kommen sie nachts und drücken den Betreffenden. Er kann sich
dann nicht regen, nicht sprechen und kaum atmen. Wird aber die Hexe beschrieen oder ruft man seinen Taufnamen,
dann muß sie weichen. Oft will man gehört haben, wie eine Hexe unter der Bettlade einen Lacher hinausgetan hat.
Wenn eine Hexe "Plotz" backt und gibt ihrem Nachbarn davon, so wird derselbe "närrisch".
Aber nicht nur mit Menschen, sondern auch mit dem Vieh treiben die Hexen ihren Spuk. Es kommt hie und da vor, daß
die Schwänze der Pferde so verflochten sind, daß man die größte Mühe hat, den Wirrwarr wieder aufzubringen. Die
Pferde sind dann sehr unruhig, schwitzen, schäumen und blasen; eine Hexe hat sie geritten. Daß dies tatsächlich
vorkommt, versichern mir glaubwürdige Leute.
Um den Stall gegen Hexen zu versichern, schreibt man die Buchstaben C.M.B. (Caspar-Melchior-Balthasar) über die
Stalltüre oder legt geweihte Sachen (Zweige, Wachs) in denselben und bringt ein zusammengelegtes Papier, in
welchem der Name Jehova steht, ins Holz am Stall hinein. Anderswo wird jede Nacht der 91.Psalm gebetet.
Einem früheren Wirt, der nachts allein bei seinen Gästen aufblieb und stets ein Licht brannte, sagt man nach,
er sei ein Hexenmeister gewesen.
Ein merkwürdiges Amulett gibt man oft den Kindern um den Hals, damit sie leicht zahnen sollen: Man beißt einer
lebendigen Maus den Kopf ab (kommt vor!); dieser Mauskopf wird in ein "Fleckle" mit
Kreuzstichen eingenäht. An den Faden darf aber kein Knopf gemacht werden. Dieses tragen die Kinder dann, an einem
Bändele befestigt, auf der Brust.
Ein Mann hat am Sonntag beim Mondenschein Reben gelesen; nach seinem Tod kam er in den Mond und muß nun
"Rebenbüschele" tragen.
Die Nachtwandler gehen mit dem Mond.
Bei zunehmendem Mond kann man Warzen, Brüche, Gewächse und Überbeine vertreiben. Dabei spricht man:
Was ich seh, nimmt zu,
was ich greif nimmt ab
wie der Tod im Grab.
Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Diese Beschwörung muß unter freiem Himmel geschehen, das Gesicht zum Mond gewandt. Dabei drückt man die zu
vertreibende Warze oder anderes mit drei Fingern übers Kreuz.
Schafe bringen Glück:
Schäflein zur Linken,
wird Freude uns winken.
Schäflein zur Rechten,
muß kämpfen und fechten.
Spinne am Abend
erquickend und labend,
Spinne am Morgen
bringt Kummer und Sorgen.
Kreuzspinnen bringen Glück, man tötet deshalb keine von ihnen. - Man spricht von einer Schlange, welche eine
goldene Krone trage: Sieht man dieselbe, so bleibt es warm, aber es gibt auch Gewitter.
Sagenhafte Überlieferungen
Die ersten gesammelten Aufzeichnungen der Waldenburger Sagen besorgte Lehrer Bergmüller um die Jahrhundertwende.
Zu seiner Zeit war noch verhältnismäßig viel an erzählerischer Überlieferung vorhanden:
Groß ist die Zahl der umgehenden Gespenster, aber nicht jeder sieht dieselben. Wer in den 12 Nächten geboren ist,
der ist am ehesten veranlagt, dieselben zu schauen.
In der Adventszeit gehen sie um, da ist's am unsichersten. Vom Butzensee bis zur Straßenserpentine geht der
"Briewel-gaascht" in Gestalt eines großen Feuers. Oft hat man schon 3 Feuer gesehen.
Ein früherer Feldschieder geht am Mühlener Sträßle mit einer Hacke, langem schwarzen Rock und Dreispitz.
Der Bronnenraingeist ist allgemein bekannt und schon sehr viel gesehen worden, teils als Reiter, teils als Hund,
teils als langer Jäger - aber stets geht sein Weg bis zum Kegelgärtle am Alten Schloß.
Am Alten Schloß geht ein weißes "Fraale"; sieht man dieselbe, so gibt's einen Todesfall.
Erst vor drei Jahren hat man in den 12 Nächten zwischen Betglockenläuten einen katholischen Pfarrer vom
katholischen Pfarrgarten durchs "Weetgässle" gehen sehen. Derselbe wurde viel gesehen.
Im Beizhager Schlag geht ein grüner Jäger mit großen Knöpfen.
Zur Zeit, als Sailach und die Orte in der Nähe noch nach Eschelbach eingepfarrt waren, hat eine Hebamme auf dem
Heimweg das Kind verloren, welches dann von wilden Tieren, die damals noch dort hausten, gefressen wurde. Jetzt muß
die ganze "Taufe" auf diesem Weg, Eselspfad genannt, laufen.
Vom Zimmerplatz bis zur Ziegelhütte wurde schon ein Pferd ohne Kopf, aber mit Reiter gesehen, ebenso ein Pudelhund.
Auf einer Steinplatte am katholischen Schulhaus konnte man häufig morgens um 4-5 Uhr einen schwarzen Pudelhund
liegen sehen.
Der alte Brunnenbauer ging einmal von Söllbach nach Haus. Da sah er einen Hammel, der im Gras weidete. Er ging
hinzu, wollte ihn mit seinem Schal anbinden und mitführen. In demselben Augenblick bekam er eine Ohrfeige, und der
Hammel war verschwunden. Wie er weiterging, kam ein Hirsch, der ihm auf den Rücken saß und dort blieb bis zur
Markung, wo er ihn zu Boden warf und verschwand.
Goldbach war ein Mönchskloster, Gnadental ein Nonnenkloster; beide seien durch einen unterirdischen Gang verbunden
gewesen...
Das Wilde Heer wurde schon in der Christnacht am Kappelhain gehört, auch am Buchsberg. Es hört sich an, wie wenn
Hunde, Katzen, kleine Kinder und alles Mögliche zusammenschreien. Ein Alter ist dabei, der der Anführer ist und
ruft: "Kleines Wackerle, such, such, such! Groß Wackerle, such, such, such!"
Eine Witwe fuhr am Feierabend mit ihrem Wagen nach Hause. Sie selbst saß auf demselben, während ein jüngerer Knabe
die Kühe leitete. Am Sautanz gesellte sich zu ihnen ein Fuchs, der neben dem Buben herging, denselben beschnuppernd
bis zum Kirchhof. Da dieses Verhalten nicht gerade des Fuchsen Art ist, so sagte man: das war ein Geist. Zwei Tage
später wurde man in dieser Annahme bestärkt, als demselben Knaben zwei Füchse begegneten, als er eben eine Ziege am
Klingenhaus gegen hier trieb. Er wollte sie vertreiben, aber sie stellten sich gegen ihn. Er gebrauchte sein
Peitschlein, das er hatte, vergebens. Die Füchse zerkratzten ihn gehörig und nur dadurch, daß er zum Messer griff,
brachte er dieselben endlich los. Man sagt, es seien Vater und Sohn gewesen. An der darauffolgenden Christnacht
begegnete dem größeren Bruder auf dem Hof ein Schwein; trotz eifriger Nachforschung fand man keine Spuren, viel
weniger ein Schwein.
Die Waldenburger Fastnacht ist geschichtlich. Der Volksmund hat sie jedoch zu einer Sage umgestaltet, die hier ihren
Platz finden möge:
"Eine Gesellschaft lustiger junger Leute hatte sich vereinigt, den Fasching auf dem Schloß
Waldenburg mit rechter Ausgelassenheit zu begehen. Zwölf von ihnen ließen sich Teufelsmasken mit Hörnern, Schweif
und Klauen verfertigen, umgaben ihre Kleider mit Werg und neckten so die Gesellschaft auf eine ziemlich ausgelassene
Weise. Zur Mitternachtsstunde fand sich plötzlich ein dreizehnter Teufel, völlig so gekleidet wie die übrigen, unter
den Gästen ein. Dieser überbot die ändern bei weitem an Ausgelassenheit, hatte aber in kurzer Zeit eine auffallende
Unordnung und Bestürzung im Schloß verbreitet. Die Gäste laufen verwirrt untereinander herum und ehe man sichs versah,
standen die 12 Teufelsmasken, deren Kleider Feuer gefangen hatten, in lichten Flammen. Hilferufend durchrannten sie
die Zimmer und stürzten sich endlich bewußtlos in den tiefen Schloßgraben, der noch in derselben Nacht vertrocknete,
allein zur Verwunderung aller nicht die geringste Spur der verbrannten Leichen mehr enthielte ."
Ein Hausgeist, der viel von sich reden machte, soll auch hier erwähnt werden:
In einem Hause hier, das einstens ein Amtshaus war, klopfte es nachts bald am Ofenrohr, bald am Kasten oder an der
Wand. Ein merkwürdiges Vorkommnis bestärkte den Glauben an einen Geist: Die Frau hatte ihr kleines Kind in einer
Wiege neben ihrem Bett. Sie wollte des Nachts hinausgreifen nach ihrem Kind, aber welcher Schreck, sie spürte
deutlich, daß sie etwas griff wie eine Ente. Es entfuhr ihr der Schrei: "Ach Gott, mei Bue!"
und zu gleicher Zeit hüpfte etwas zu Boden. Sie machte Licht und sah dann, wie ein schwarzer
"Wergel" zur Tür hinausrollte.
Anderthalb Jahre lang brannte die Frau dann nachts ein Licht. Es waren oft 5-6 Nachbarsleute im Haus, die alle
dieses Klopfen vernahmen. Um den Geist zu erlösen, wurde alles Mögliche getan: Kasten und Tisch wurden
zusammengehauen, eine neue Stubentür wurde eingesetzt, die Bilder wurden teilweise von der Wand weggetan und der
Boden aufgebrochen. Ferner ließ die Frau Salz weihen, steckte drei Messer in den Tisch und legte alles voll mit
Gebetbüchern. Endlich sprengte sie das ganze Haus mit Weihwasser und wusch auch den Buben mit solchem. Es wurde
also nichts unversucht gelassen. Schließlich blieb dann der Geist doch aus. Bemerkt sei hier noch, daß man das
Klopfen am 1.Advent das erstemal hörte.
In einem ändern Haus sagt man, daß eine alte Frau komme, die Stubentür öffne und hereinschaue. Der Besitzer dieses
Hauses konnte dasselbe lange nicht verkaufen.
Die Teufelseiche
In der Nähe des früheren Pauliner-Klosters Goldbach ist eine Eiche, die Teufelseiche genannt. Manche Augen sehen an
ihr noch einen Streifen, der keine Rinde hat, rund um den Stamm. Jetzt ist die Stelle ganz überwallt. Man erzählt,
daß einst die Mönche des Klosters von einem Teufel gar übel geplagt und geneckt wurden. Alles Beten war umsonst.
Endlich beschwor ein frommer Bruder des Klosters, dessen Gebetskraft stärker war als die der ändern, den Teufel, daß
er vor ihn hinkriechen und ihm dann in den Wald folgen mußte. Dort sollte er in ein Loch zwischen den Wurzeln der
Eiche gebannt werden. Auf die Bitten des Teufels, doch noch etwas Sonnenlicht genießen zu dürfen, band ihn der Mönch
mit einem Draht an den Stamm. Da rannte nun der Satan oft im rasenden Tanz um den Baum, doch gelang es ihm nicht, den
Baum zu durchschneiden oder den Draht abzudrehen, um frei zu werden. Deutlich sah man aber das zertretene Gras rings
um die Eiche.
Die gescheiterte Erlösung
In Waldenburg saßen abends Eltern und Kinder beisammen in der Stube, da klopfte es ans Fenster. Der Vater ging hin,
öffnete und sah niemand. Erfragte, was los sei und erhielt zur Antwort: "Laß deinen Buben mit mir gehen, er
soll mich erlösen, es geschieht ihm gar nichts." Erschrocken fuhr der Vater zurück, und starr sahen ihn
die Seinen an. Keines gab Antwort. Unruhig legten sie sich zu Bett. Am folgenden Abend geschah dasselbe, nur mit noch
inniger bittender Stimme. Da begab sich der Vater tags darauf zu einem Mann, dem er voll und ganz vertraute und
erzählte ihm alles. Der Mann meinte: "Wenn es je noch einmal so geschieht, dann habt keine Angst, sondern helft."
Abends klopfte es wieder, dieselbe Bitte. Der Vater hatte mit seinem Buben alles besprochen, und dieser war damit
einverstanden zu helfen. Warm angezogen gingen Vater und Sohn in die Nacht hinaus, wo eine schattenhafte Gestalt sie
erwartete. Ein Wink, und alle drei schritten den Höhenweg hinaus durch den Wald auf einen leeren Platz,
"'s ei'gmacht Stück." Hier sagte die Gestalt: "Knabe,bete, und was du auch siehst, sage
nichts, gib keinen Laut von dir, sonst ist für mich alles vergebens! Da hast du einen goldenen Schlüssel, öffne mit
dem die Kiste, die dort steht! Habe keine Angst, nichts geschieht dir, aber schweige!" Das Kind schloß
die Kiste auf, der Deckel klappte in die Höhe, und zischend fuhr eine Schlange heraus. Mit einem Schrei ließ der
Knabe den Schlüssel fallen und sprang zum Vater hin. Die Kiste versank. Mit trauriger Stimme klagte die Gestalt:
"Wieder vergeblich; nun muß ich wieder so lange warten, bis aus dem Kirschkern, der hier liegt, ein Baum
herangewachsen ist. Aus dessen Holz müssen Wiegenläufe gemacht werden und erst wenn der Knabe, der in dieser Wiege
lag, groß ist, kann man wieder versuchen, mich zu erlösen."
Die Gestalt verschwand; Vater und Sohn suchten den Heimweg, und nur ungern sprachen sie von dem Erlebnis.
Nun noch einige Beiträge von Ernst Schmidt. Er erzählt:
Nicht der Reiter ohne Kopf, der in finsteren Nächten auf dem Braunen Rain sein Unwesen treibt, weil er zu Lebzeiten
Grenzsteine versetzt hatte, nicht die Weiße Frau, die Unheil kündend, begleitet von einem bösen Hund, in mondheller
Nacht durch verriegelte Türen im Waldenburger Schloß umgeht, auch nicht die Wassergeister im Schwarzen Garten beim
Hohbucher See oder der Fluchtweg von der Schanz zum Theresienberg haben auf mich als Kind einen so starken Eindruck
gemacht wie die unaustilgbaren Blutstropfen im Schloß. Keine Bürste, kein Hobel konnte je sie verwischen. Als blutige
Zeugen künden sie durch die Jahrhunderte "von der schröcklichen Tragödie und dem Spectaculum, die der leidige
Satan auf der Waldenburger Fastnacht aus Gottes Verhangnus angerichtet." Mit dem ersten mitternächtlichen
Glockenschlag stürzte sich der Teufel in den Brunnen im Schloßhof. Eine Wolke von dampfendem Pech und Schwefel stieg
aus der Tiefe empor. Der Brunnen versiegte zur selbigen Stund.
Wie die schöne Lau jeden Mond einmal mit einem Kranz von breiten Blättern auf dem Kopf und um den Hals aus dem
Blautopf herausstieg, der Wirtin Töchterlein zu besuchen, so kam, so oft der Mond sich rundete, eine liebliche
Wassernixe aus dem Schilf des Burgvogtsees auf den Streithof und vergnügte sich mit den jungen Leuten bei der Vorsitz
in der Spinnstube und mit den Kindlein in der schaukelnden Wiege. Wie jede rechte Wasserfrau wird auch sie zwischen
ihren Zehen Schwimmhäute gehabt haben, die sie sorglich verdeckte. Ein junger Bursche verliebte sich in die holde
Maid und heiratete sie. Zuvor hatte er feierlich gelobt, ihr allezeit, was auch kommen mag, treu zu sein. Bald
jedoch mußte der junge Ehemann wahrnehmen, daß seine Frau im Zeichen des Vollmondes nächtlich und heimlich das Haus
verließ und im Burgvogtsee mit anderen Wassernixen badete. Dabei nahmen ihre Beine die Gestalt eines doppelten
Fischschwanzes an. Entsetzt wandte sich der Mann von ihr ab und löste sein Gelöbnis. Die Wasserfrau aber war dem Tode
verfallen.
Eine Grabplatte in der alten Friedhofkapelle mit dem Bild einer Jungfrau mit doppeltem Fischschwanz und der Jahreszahl
1500 bewahrt das Gedenken an die Geschichte von der Wassernixe im Burgvogtsee.
Wer kennt nicht die Pfaffenklinge im Goldbachtal? Dort stand einst eine kleine Kapelle, in welcher der Teufel einen
betenden Mönch versuchen wollte. Der fromme Pater erkannte den Satan, beschwor ihn, und unter seinen Verwünschungen
versank die entweihte Kapelle im Erdboden. An ihrer Stelle öffnete sich eine Schlucht, die heute noch die Pfaffenklinge
genannt wird.
Wie die Alten den Jungen erzählen, kann im Wald zwischen Waldenburg und Obersteinbach der jammernde Geist einer armen
Kindsmörderin die ewige Ruhe nicht finden. Ihr Geliebter, ein junger Förster, hatte sie treulos verlassen und eine
reiche Bauerntochter geheiratet. In der Verzweiflung suchte die Mutter, in den Armen ihr Kind, den Tod im
verschwiegenen Waldsee. Kommt der Sommer ins Land, so schmückt alljährlich der himmlische Gärtner mit Hunderten von
Seerosen ihr Grab.
Von grausigen Taten wissen die Sühnekreuze zu erzählen, ehrwürdige Zeugen alten Brauchtums. Eines steht hinter dem
fürstlichen Hofgut Laurach am Urweg nach Gailenkirchen. Der Stein trägt die Zeichen I.H.O. und darunter B. S. Hier
sollen zwei Handwerksburschen wegen der Atzung miteinander in Streit geraten sein, wobei einer den anderen erschlug.
Ein zweiter, beschädigter, Kreuzstein steht an der Straße von Waldenburg nach Sailach. Er ist etwa ein Meter groß
und aus einem wuchtigen Felsblock gehauen. Nach der mündlichen Überlieferung kamen hier zwei Haller Bürger aus
Eifersucht miteinander in Streit. Einer mußte seine Liebe zu einem schönen Waldenburger Mädchen mit dem Leben
bezahlen.
Am Ort des dritten Mordkreuzes, am Feldweg zwischen Hesselbronn und Kupferzell, nahe beim Hochgericht, soll ein
Schäfer umgebracht worden sein.
Eine letzte Überlieferung veröffentlichte der einstige Waldenburger Lehrer Julius Gessinger 1947 in der
Hohenloher Zeitung:
"Eine Sage um den Burgvogtsee erzählt von einem Steinmetz, der sieben Kinder hatte - und keine Arbeit. Er wußte
keinen Rat mehr, wie er seine hungrigen Kinder sättigen sollte. Einmal brachte er vom See, der damals noch nicht
Burgvogtsee benannt war, einen Karpfen heim. Aber der gestrenge Burgvogt von Waldenburg erfuhr davon und ließ den
Steinmetz vorführen. Fußfällig stellte der Vater seine Not dar und bat, der Burgvogt möge ihm das kleine Vergehen
verzeihen ihn nicht gefangen halten, weil sonst seine Kinder verderben und verkommen müßten. Alle Bitten konnten den
Burgvogt nicht erweichen. Er hielt den Steinmetz im Bürger- oder Malefizturm lange gefangen. Endlich erfuhr der
Graf von Hohenlohe-Waldenburg von der übermäßig strengen Behandlung des armen Steinmetzen durch den hartherzigen
Burgvogt. Er befahl die Freilassung. Als der Vater nach Hause kam, traf er seine Familie in bitterster Not an. Der
Graf half wiederum und gab Brot und vor allem Arbeit: ein neues Amtshaus wurde erstellt. Der Steinmetz, der
wegen seiner Geschicklichkeit bekannt war, führte seinen Auftrag fleißig und pünktlich aus. Doch einen Denkzettel
erteilte er dem Burgvogt. Als man nämlich das Gerüst des Neubaues entfernte, fand man an der Hausecke das Gesicht
des Burgvogts mit seinem grimmigen Schnauzbart in Stein gemeißelt. Nun liegt dieser Stein auch unter den Trümmern
des zerstörten Waldenburg."
Quellennachweis
Buch "Waldenburger Heimatbuch" Jürgen Hermann Rauser
Buch Das Pfedelbacher Heimatbuch