Hier gibt es dies und jenes aus dem Leben der Leute von 1875 bis 1910
Diese Seite will nur einen groben Überblick, der Entwicklung in der Zeit von 1875 - 1910 aufzeigen, um so besser die Welt
meiner Ahnen verstehen zu können. Dabei geht es mir nicht darum, die deutsche Geschichte genau zu erfassen, sondern
Ereignisse aufzuzeigen, die für das Leben der einfachen Leute wichtig wurden.
Alles andere würde den Rahmen dieser Homepage sprengen.
Die wichtigsten Schlagworte
Sitte und Brauch in Untersteinbach um 1900
Im Jahre 1900 stellte der damalige Lehrgehilfe G. Zimmermann eine "volkstümlichen Überlieferungen" seiner Zeit in Untersteinbach zusammen.
Nahrung
Besonders auffallende Gebräuche finden sich bei der heutigen Generation selten mehr. Was vorhanden ist, ist fast
ausschließlich bei den "Alten" zu finden. Doch sind eine Menge Gebräuche und Sitten anzuführen, die
vielleicht für unsere Gegend bezeichnend sind. Die Zeit der Mahlzeiten richtet sich im Sommer natürlich nach den
Feldgeschäften, wogegen im Herbst und namentlich im Winter in der Hauptsache folgende Zeit eingehalten wird:
Frühstück 7 Uhr. Mittagessen 11.00 bis 12.00 Uhr. Nachtessen 6.00 bis 7.00 Uhr.
Dazu kommt das sog. "Vesper" vormittags 9 Uhr (nicht immer und nur wenig genossen) und eines
nachmittags um 3—4 Uhr, das immer eingehalten wird. Beim "Essen" (morgens, mittags und nachts) ist es
Sitte, vor und nach dem Essen ein Tischgebet zu sprechen, und zwar vor dem Frühstück und nach dem Abendessen ein
größeres (Morgen- und Abendsegen), doch nimmt auch das, wie die Kirchlichkeit, etwas ab. In den Bauernhäusern wird
aus einer Schüssel gegessen, das heißt jedes langt mit seinem Eßlöffel in die Schüssel hinein. Gegenwärtig kommen
die Teller mehr auf (zinnene Teller und ebensolche Löffel). Hauptnahrung sind die Kartoffeln, die Milch und die
Suppe, meistens Milchsuppe; auch viele Mehlspeisen und Fleisch. Eigentümliche Speisen sind die Klöße, das
Geschmorgel (Mehlspeise, wie zerhacktes Omelette), Dampfnudeln, dann die Küchlein, saure Milchsuppe. Ein
eigentümliches Getränk ist der Heidelbeerwein. Morgens gibts hier Milchsuppe; gegenwärtig reißt auch leider das
Kaffeetrinken ein. Nachts gibts Suppe und Kartoffeln oder heiße und sommers gestockte Milch. Eine häufige Speise
ist "Gefülltes": gefüllte Pfannkuchen, gefüllte Wecken und Nudeln sowie auch gefülltes Fleisch (Kalbsbrust
etc.). Auch viele Hülsenfrüchte.
Besondere Speisen an den verschiedenen Wochentagen sind nicht gerade auffallend, doch herrschen einige vor: Am
Montag gibts Kartoffelschnitz oder Gebackenes oder Kraut. Am Dienstag Hülsenfrüchte, auch mit Kraut. Am Sonntag
Nudelsuppe oder Grießsuppe und Braten mit Salat. Im Winter gibts mittags Sauerkraut mit Schweinefleisch, Hülsenfrüchte,
im Sommer natürlich mehr Gemüse. Wenn Taglöhner oder Handwerker im Haus sind, gibts immer Kartoffelschnitz oder
Sauerkraut mit Schweinefleisch oder Bohnen; das erstere am häufigsten. Bei Taufen, Hochzeiten usw. gibts Nudelsuppe
mit Rindfleisch und Meerrettich als Beilage, dann Braten und Salat, zuletzt oder vorher Kaffee.
Kleidung
Als Alltagskleidung hat man blaue, rauhe Tuchkleider, selbstgesponnen, welche sehr haltbar sind. Als Kopfbedeckung
dient die Zipfelkappe. Am Sonntag wird dann ein besseres Gewand angezogen. In neuerer Zeit wird aber auch mehr das
feinere, aber schlechtere Tuch gekauft. Wenige Weiber kommen sonntags noch mit ihrer Bändelhaube zur Kirche, alte
Männer noch mit ihrem Hut von fünfzig Jahren her. Die Trauer wird ausgedrückt durch dunkle Kleidung, namentlich
schwarzen Schurz und schwarzes Halstuch, bei Männern durch ein schwarzes Halstuch oder eine schwarze Krawatte.
Männer tragen noch einen kleinen Trauerflor auf der linken Brustseite.
Die Kinder (Knaben) bekommen schon sehr bald lange Hosen, die Mädchen mit 14 Jahren lange Röcke. Verheiratete setzen
in die Kirche oder zu "Leichen" einen "Schlosser" auf, Ledige nicht. Als Schmuck dienen Ohrringe,
Broschen; auch Fingerringe gegenwärtig schon für Ledige.
Wohnung und Gerät
Die Wohnzimmer in den Bauernhäusern sind ziemlich groß und nicht mit Möbeln überfüllt, doch verliert sich auch hier
die alte, einfache solide Einrichtung. An den Wänden entlang läuft eine Bank, die jedoch schon vom Sofa verdrängt
wird. Der Tisch ist geräumig und hat riesige gedrehte Beine mit Verbindungsplatten zum Draufstellen der Füße. In den
meisten Häusern steht auch noch der Altvaterstuhl, mit Leder überzogen, natürlich in der Nähe des Ofens. Der Schmuck
der Wohnstube ist ein Glasschrank, welcher zur Aufbewahrung von Glasgegenständen, Porzellan, Schmucksachen dient
(namentlich Geschenke). Diese Gegenstände werden nicht benützt. Zur Heizung dient ein riesiger Kachelofen, der von
der Küche aus heizbar ist. Ein Wandbrett mit einigen Büchern (Bibel und Gebetbüchern), die alle ein ehrenwertes
Alter repräsentieren, fehlt nirgends. Am Ofen ist eine Stange befestigt zum Aufhängen der Wäsche. Ein Barometer
(Wetterglas genannt) ist meistens zu finden. An den Wänden hängt ein alter Spiegel, alte Bilder, eingerahmte
Denksprüche (Konfirmationssprüche), mit deren Inhalt der Besitzer sich rühmt, weil darin ein Zeichen seiner guten
Lebensführung in der Schulzeit und im Konfirmandenunterricht zu sehen ist. Neuerdings kommen auch Photographien und
Soldatenbilder mehr in Schwang. Hinter dem Ofen ist eine Ofenbank, welche für die Großmutter im Haus einen
Aufenthaltsort abgibt. Im Tischkasten liegt das Brot. Die Reinlichkeit läßt zum Teil viel zu wünschen übrig.
Die Schlafstube liegt neben der Wohnstube und ist mit derselben durch eine Tür verbunden. Sie ist nicht so geräumig
wie letztere. Himmelsbettladen findet man selten mehr. Hier stehen große, meist doppelte Schränke (Pelter genannt),
welche zur Aufbewahrung von Kleidern, Weißzeug und Leinwand dienen. In der Küche, welche meist finster ist, steht ein
riesiger Backsteinherd mit einer zackenbesetzten Eisenstange zum Einhängen der Pfanne. Neuerdings finden die
Kunstherde Eingang.
Der Keller ist unter dem Wohnhaus, und man kann oft durch eine Falltür von der Stube oder Kammer aus hinuntergelangen.
Meist sind es zwei Teile, ein Vorkeller zur Aufbewahrung von Kartoffeln usw., dann ein innerer Keller für Aufbewahrung
der Getränke. Auf einem Gerüst lagert das Obst und auf einem aufgehängten Ständer das Brot.
Beim vermöglichen Bauern bilden Haus, Scheune, Schuppen und Waschhaus mit Backofen einen Hof ohne Einfassung, bei
anderen sind Haus und Scheune zusammengebaut. Doch ist die Scheune immer größer als das Wohnhaus. Beim Wohnhaus ist
geradeaus die Küche, links oder rechts vornen die Wohnstube und dahinter die Schlafstube, auf der ändern Seite eine
Gast- und eine Speisekammer. Im Dachstock sind Gesindekammer und Bühnenräume, in welchen mit Hutzeln oder Leinwand
gefüllte Schränke stehen. Dort ist auch Welschkorn, Hülsenfrüchte, Getreide und Gerumpel. Das Holz ist im Schuppen
und wird meistens nach Bedarf zerkleinert. Die Häuser stehen zur Dorfstraße ganz verschieden, quer- und langseitig
oder auch schief. Strohdächer gibt es schon längst keine mehr. Bei den Wohnhäusern sind die Balken verputzt, bei den
Scheunen sichtbar.
Der Tisch steht in einer von der Eingangsseite entfernten Stubenecke, meist links. Die Schränke und Truhen sind
häufig mit Schnitzwerk versehen. Gesponnen wird mit dem Spinnrad. Die Rosse haben als Kummetschmuck ein Dachsfell;
die Rinder haben auf dem Jochkissen Rindshaare und Wollblumen eingesetzt.
Arbeits- und Tageslauf
Im Sommer oder überhaupt zur Zeit der Feldgeschäfte geht man nach dem Abendessen zur Ruhe; im Winter dagegen
beschäftigen sich die männlichen Personen an den Abenden mit Weidenputzen, Besenmachen, Bänderstricken, wobei dann
die unentbehrliche Pfeife geraucht wird, Zigarren nur sonntags in der Wirtschaft.
Die weiblichen Personen stricken, flicken, nähen, häkeln, spinnen. Hierbei sind die sogenannten Vorsitze gebräuchlich.
Die jungen Leute beiderlei Geschlechts besuchen sich gegenseitig und unterhalten sich durch Gespräche, Erzählungen,
Rätsellösen, Pfänderspiele, Singen, auch Musik und Tanzen (Ziehharmonika). Dabei werden Kaffee, Obst, Kuchen,
Getränke aufgetischt. Die Mädchen werden dann heimbegleitet, wobei nicht immer die Grenzen des Anstands gewahrt
werden. Die Zeit des Zubettgehens ist im Sommer 7 Uhr, im Winter 11 Uhr und später; die Zeit des Aufstehens im Sommer
manchmal 3 Uhr (Mähen), im Winter 6 Uhr.
Vorweihnachtszeit: Am Adventsfest brennen wenige die Nacht durch ein Licht und singen geistliche Lieder
(alter Brauch!). An Martini kommt der Nußmärte (vulgo Knecht Ruprecht). Dieser ängstigt die Kinder und wirft Nüsse,
Äpfel und Hutzeln in die Stube. Drei Donnerstage vor Weihnachten ist Anklöpferle, wo die Kinder vor den Türen singen
und dafür Obst und Backwerk erhalten (artet gegenwärtig in Bettel aus).
Da wird z.B. gesungen:
Die Rose, die Rose,
die wachse aufm Stock,
der Herr ist schön, der Herr ist schön,
Die Frau ist wie a Dock!
Ouklopfe Hammerstiel,
Reiche Bäure', gib nur viel,
gib mr a ganz Säckle voll,
tuet mir und meiner Muetter wouhl.
Ouklopfe Hämmerle
s Brot leit im Kämmerle
s Messer leit drnewe
solisch mr a rechts Stück gewe.
Klaane Birlich, Bitzelich drou
d' Ochsewerte hat de schönste Mou.
Duftig, duftig isch dr Wald,
vor des Ochsewerts Tür isch kalt.
Bir' raus, Äpfel raus
no geh 'n i widdr in a anders Haus.
Heilige sechs Korandel,
dr Bäckerknecht hat an Mandel,
dr Bäckerknecht hot krumme Fieß
und wie sieht des Ding sou wüest!
Zwölf Nächte: Da soll man keine Hülsenfrüchte essen, sonst bekommt man unreinen Teint. Was einem zwischen Weihnachten
und Erscheinungsfest träumt, wird wahr. Da kann man auch am besten "brauchen"; z.B. wenn man einen Bruch
hat, dann soll man den Körper zwischen eine gespaltene Eiche zwängen, dann heilt der Bruch. In dieser Zeit soll man
kein Vieh streicheln, auch nichts im Erdreich arbeiten lassen, sonst ists schädlich fürs Vieh i auch soll man die
Schuhe nicht schmieren. In den zwölf Nächten singen manche geistliche Lieder; am Weihnachtsfest könne, nach manchen,
das Vieh sprechen.
Weihnachten: Da ist natürlich, wie überall, eine Festbescherung Sitte. Diese ist jetzt meist am Tag vor dem
Christfest nachts; früher am Christfest morgens. Es werden Weihnachtslieder gesungen; in den Bauernhäusern ist es
meist eine einfache Bescherung. Der Pelzmärtel kommt in die Häuser und ängstigt die Kinder. Sein Gegenstück ist das
Christkindle oder eine Mehrzahl davon. Junge Mädchen verkleiden sich nämlich mit weißen Kleidern und gehen herum;
geben den Kindern einige "Gutslen" und erhalten dafür wieder mehr dergleichen, früher auch ein Trinkgeld
(wonach sie anschließend ein kleines Fest hielten und das Geld für ein gemeinsames Essen ausgaben). Auf dem Kirchhof
steckt man kleine Christbäume in die Gräber der Verstorbenen, namentlich der Kinder.
Neujahr: Am Stephanustag soll man kein Fleisch essen. An Silvester wird von jetzt an um 3/4 12 Uhr das alte
Jahr hinausgeläutet, dann singen der Gesangverein ein oder zwei geistliche Lieder, und um 12 Uhr wird dann das neue
Jahr eingeläutet. In den Wirtschaften und daheim wird Glühwein getrunken. In den Wirtschaften gibts Gratisessen,
nämlich Hering oder Heringsalat. Die männlichen Personen gehen in die Wirtschaft und karteln, und zwar
gaigeln, rammsen oder zwicken. Natürlich geht um 12Uhr ein Lärm los: Neujahrswünschen. Johlen und Schießen, doch nimmt
letztere Unsitte mehr und mehr ab (Scharwächter). Früher war es stark Sitte, weil da die jungen Burschen ihrer
Angebeteten das Neue Jahr anschossen. In den Wirtschaften werden "Schiffchen" (ein schiffähnlich geformtes
Backwerk) herausgekartelt. Abends gibts auch Freibier (auch Branntwein und Likör). Am Neujahr wird natürlich überall
das bekannte "Prosit Neujahr" ausgerufen, wobei es darauf ankommt, wer es zuerst sagt. Die Kinder zogen
früher von Haus zu Haus und wünschten "Prosit Neujahr", wobei sie eine kleine Gabe erhielten.
Der Wunsch ist meist gereimt, z.B.:
Ich wünsche euch zum neuen Jahr langes Leben
lieben Frieden, den heiigen Geist und alles, was
ihr euch selbst wünscht. Prosit Neujahr!
Oder:
Wir wünschen euch zu dieser Stund
ein neues Jahr von Herzensgrund
ein neues Jahr von Glück und Segen
und mög euch Gott viel Frieden geben
Lichtmeß ist für Dienstboten der Wandertag, und zwar immer häufiger. Die Dienstboten bleiben selten noch fünf, zehn
oder mehr Jahre, wie früher. Beim Wandern muß der neue Dienstherr den Knecht oder die Magd abholen mit dem Fuhrwerk,
wenn er Pferde hat. An diesem Tag haben die Dienstboten einen Tanz, der häufig genug zu einem unsittlichen Vergnügen
wird. An Lichtmeß soll man bei Tag essen (Lichtmeß bei Tag eß).
Fastnacht ist Tanz für junge Leute! "Bessere" Leute haben einen kleinen Maskenball und machen am andern
Tag einen Ausflug. Fastnacht ist auch hier die Zeit der ausgelassenen Lust. Es werden massenhaft sogenannte Küchle
(ein Gebäck von weißem Mehl, Milch, Butter; in Schmalz gebacken) gefertigt und vertilgt. Wer an diesem Tag in ein
Haus geht, bekommt unbedingt solche Küchlich aufgewartet. An Fastnacht sagt man: "D' Brechhilde"
kommt. Der Aschermittwoch (näschich Mittwuch) ist der gefürchtete Tag des Aschens (Ermähnen zum Zahlen der Schulden).
Man streut Asche in den Hühnerstall, damit kein Ungeziefer ins Haus kommt.
In der Karwoche zur Osterzeit soll man nichts Fleischiges essen (jedoch Fisch, nämlich Stockfisch, bei Vornehmen).
Auch Gebackenes wird da viel gemacht. Am Karfreitag gehen die jungen Leute, namentlich auch Dienstboten, zum
Abendmahl. Es wird Trauerkleidung getragen. Am Karfreitag soll man sich waschen vor Sonnenuntergang, aber
unbeschrieen, dann vergeht der Ausschlag, den man hat, oder man bekommt keinen.
An Ostern versteckt man den Kindern Ostereier im Garten, auch Osterhase und Osterbrezeln (darunter riesige Exemplare).
Man sagt dann: Der Hase hat gelegt. Früher gab es hier auch das bekannte Eierlesen, ein Wettspiel. Am Ostermontag
gehen die Kinder fort und holen ihre Patengeschenke, auch Eier und dergleichen. Viele gehen auf den Markt nach
Öhringen, die Mehrzahl der Bewohner (ebenso am Pfingstmontag und am Jakobusfeiertag) nach Hall.
Am l. Mai steht man früh auf und macht eine Maientour. Wer sich an diesem Tag mit dem Tau wäscht, bekommt eine schöne
Gesichtsfarbe. Riesige Sträuße von Maienglöckchen werden mit heimgenommen.
Den Mädchen stellte man früher zur Verehrung Maienbäume vor die Türen; zur Schande hängte man aus Stroh geflochtene
Brezeln hin.
An Himmelfahrt macht man einen Ausflug, und zwar meistens auf den Wilfersberg. Dort war bis vor wenigen Jahren an
diesem Tag Bier und Wurst zu haben, auch war Musik dort, und es wurde getanzt. Den Schluß bildete regelmäßig eine
Keilerei zwischen Untersteinbacher und Michelbacher jungen Burschen. An diesem Tag sammeln die Kinder sog.
Himmelfahrtsblümchen und machen Kränzchen daraus, die man in der Stube aufhängt.
Wer an Pfingsten zuletzt aufsteht, ist der Pfingstesel. (Am l. April wird man genarrt und ist dann Aprilnarr. Wer
am Palmsonntag zuletzt aufsteht, ist Palmesel.) An Pfingsten macht man Ausflüge. Früher stellte man Maienbäume an die
Häuser. An Sommer-Johannis wurden früher Johannisfeuer angezündet auf den Bergen.
Die Hauptfestlichkeit für die bäuerliche Bevölkerung ist die Kirchweihe (Kärwe). Früher wars noch ärger als jetzt.
Überall ist Musik und wird getanzt, Würfel gespielt, dünner Kuchen (Blotz) und dicker gebacken. Dann werden Preise
herausgekegelt, ein Pflug oder ein Schaf (Hammel), auch Eggen, Uhren, Gläser usw., alles schön gesträußt. Die jungen
Leute werden am Montag abgeholt durch die Musik zum Tanz. Am Dienstag ist dann Markt und wieder Tanz. Die Dienstboten
arbeiten über diese Zeit nichts.
Als Unglückstag gilt der l. April, dann der Feiertag Peter und Paul (Kirschenpeter). Wenn man an diesem Tag auf einen
Baum steigt, fällt man herunter. Der 13. in jedem Monat gilt als Unglückstag. Ein Unglück bedeutet, wenn einem eine
Katze über den Weg läuft. Glück hingegen, wenn es ein Hase ist. Mit dem linken Fuß zuerst aus dem Bett gehen, bedeutet
Unglück.
An örtlichen Festen ist nur zu nennen das Kinderfest, das jedes Jahr abgehalten wird mit den hiesigen und den
Filialschulen Oberhöfen, Büchelberg, Gleichen, Obersteinbach und das nachts zu einem "Altenfest" wird. Zu
nennen ist auch der jährliche Schülerspaziergang, sodann die drei hiesigen Märkte, wo man sich gegenseitig ein
Geschenk gibt.
An Feierabendvergnügen sind nur die Vorsitze zu nennen, auch Kartenspielen daheim oder Mühlenziehen. Sonntags geht
man spazieren und die Männer ins Wirtshaus, wo sie sich unterhalten durch Gespräch oder Kartenspiel; auch wird hier
viel Kegelspiel getrieben. Anzuführen wäre noch das Singen auf den Straßen und in den Wirtschaften.
Geburt
Die Kinder kommen nach dem Kinderglauben aus dem Kindlesbrunnen (speziell aus einem hiesigen unbenutzten Brunnen und
aus einem Brunnen im Walde, dem Kalksbrunnen). Der erste Ausgang der Wöchnerin geht in die Kirche. Dem Kinde schenkt
man zuerst ein Ei. Bis zur Taufe wird ein Nachtlicht gebrannt. Unter das Kopfkissen legte man ein Gebetbuch, damit
keine Mißgeburt untergeschoben wird. Die Wöchnerin darf bis sechs Wochen nach der Geburt kein Wasser holen, sonst
kriegt das Kind Würmer oder wird hitzig. Die Wöchnerin wird von den anderen Weibern besucht und beschenkt
(Zucker und Kaffee, Zwieback).
Die Taufe ist vierzehn Tage nach der Geburt, früher immer in der Kirche, gegenwärtig immer mehr im Haus. Bei der
Taufe wird von Nachbarn oder Freunden geschossen. Nach der Taufe ist ein Taufschmaus, der oft ziemlich reichhaltig
und ausgedehnt ist, namentlich beim ersten Kind. Der Pate, der nottelt (das heißt das Kind während der Taufhandlung
hin und her wiegt) muß Nottelgeld bezahlen. Die Paten opfern in der Kirche "Patengeld", welches zu zwei
Dritteln der Mesner (= Lehrer) erhält. Die Paten heben den Täufling abwechslungsweise. Als Pate wird gegenwärtig
meistens ein naher Verwandter genommen (Geschwister der Eltern, auch Schwager oder Schwägerin).
Das Kind bekommt den Namen nach den Eltern oder Taufpaten. Als Doppelname kommt nur Johann Georg (Hans Jörg vor).
Die häufigsten Namen sind: Karl, Friedrich, Johann, Christian, Fritz, Georg, Gottlieb; schon seltener: Gottfried,
Wilhelm. Weiblich: Karoline, Katharine, Christina, Marie; seltener: Luise, Wilhelmine. Die Kinder werden nach Paten
Verwandten sowie nach Heiligen genannt.
Liebes- und Eheleben
Schon sehr bald werden Verhältnisse angefangen: die "Beiden" gehen miteinander immer zum Tanz; er begleitet
sie heim. Da gibt es oft Streitigkeiten aus Eifersucht. Das bekannte "Fensterln" ist auch Sitte
resp. Unsitte. Die Eltern wissen meistens darum, ohne zu wehren; außer es paßt ihnen nicht. Oft sind die Heiraten
auch keine Liebesheiraten, namentlich bei größeren Höfen. Verwandte oder ein Vermittler (Schmuser) verraten die
Braut, und der Heiratslustige geht dann hin und beschaut sie (ins Heiern gehn). Dann ist Heiratstag
(Verlobung), wo das Nötigste geschrieben wird vom Schultheiß. Natürlich ist da ein Schmaus mit verbunden. Für die
Aussteuer sorgen die Eltern, namentlich die der Braut. Der Bräutigam holt zur Verlobung die Braut ab.
Beim Einzug ist alles besträußt. Die Brautführer, Schreiner und Fuhrleute haben um den Hut fertige rote Taschentücher
gebunden. Vorne auf dem Wagen ist die Wiege. Wenn früher die Braut das Dorf verließ, hielten die jungen Burschen ein
Seil vor, und der Bräutigam mußte sich durch Bier- oder Weinspenden den Durchlaß erkaufen. Beim Einzug hält eine
Brautjungfer den Spinnrocken. Die Brautknechte und Jungfern singen und johlen. Nachher gibts einen Schmaus.
Die Hochzeiten sind gegenwärtig donnerstags oder samstags, früher dienstags oder sonntags. Es wird dabei ordentlich
geschossen und auch gegessen und getrunken, so daß manche Hochzeit ziemlich hoch zu stehen kommt. Die Kosten haben
die beiden Väter der Brautleute miteinander zu tragen, und zwar gleichmäßig. Beim Kirchgang wird zuvor im Hausgang
ein Gebet verrichtet. Mit dem rechten Fuß soll man zuerst aus dem Haus. Die Kinder gehen beim Zug voraus, dann kommen
die Brautpaare, das jüngste voraus, zuletzt dasjenige, das in die Ehe eintritt; bei der Heimkehr von der Kirche kommt
das neuvermählte Paar zuerst. Hinten sind die Verheirateten. Wer bei der Einsegnung die Hand oben hat, wird Herr im
Haus; daher kann man manchmal ein Ringen um den Obergriff wahrnehmen. Die Kleider soll man anbehalten bis nach dem
Essen. Das Brautpaar bekommt Hausschenken (Haushaltsgegenstände). Bei der Hochzeit gibts Hochzeitssträuße, bestehend
in nützlichen oder spaßhaften Gegenständen (das Brautpaar bekommt zum Beispiel Schnuller, kleine Puppen, Milchgläser).
Am Hochzeitsabend erfolgt Spaziergang durchs Dorf mit Gesang, Besuch verschiedener Wirtschaften; am ändern Tag Ausflug.
Nachts wird gespielt und getanzt. Musik (Ziehharmonika) darf nicht fehlen. Früher waren die Hochzeiten in den
Wirtschaften, jetzt mehr und mehr in den Häusern. Die Zeit der Verlobung ist ganz verschieden, bei Vornehmen meistens
Weihnachten, Ostern, Mai, Pfingsten.
Krankheit
Hier herrschen zum Teil noch schreckliche Zustände. Jede Frau ist gleichsam ihr eigener Arzt und weiß namentlich für
leichte Krankheiten dies und jenes Mittel. Das Brauchen ist noch jetzt teilweise gebräuchlich.
An Hausmitteln sind vorhanden Kamillen-, Lindenblüten-, Hagebutten-, Brennessel-, Eibischtee, dann Alaun,
verschiedene Tropfen, Salben. Bei Rheumatismus soll man die Glieder baden mit Heublumen- und Ameisenwasser.
Gegen Warzen soll helfen der Saft des Hahnenfußes oder soll man ein Bein, das man im Januar unbeschrieen auf einer
Wiese findet, niemand sehen lassen und damit über die Warzen streichen, oder man soll die Hand im Backwasser waschen
oder Mist darauf hinlegen oder bei einer Beerdigung vor das Leichenhaus stehen und die Warze reiben oder bei einer
Beerdigung die Hand im Angesicht des Kirchhofs in einen Bach tauchen oder in Lohbrühe tunken oder endlich, wenn ein
Pferd sauft und es geifert, den Geifer auf die Warze tröpfeln lassen. Gegen Schuppen soll eine Mischung von Essig und
Seife helfen. Arnika ist auch ein Hausmittel. Kranke Leute besucht man und bringt ihnen etwas.
Tod und Begräbnis
Wenn jemand gestorben ist oder im Sterben liegt, kommen die Nachbarn ins Haus und jammern und trösten, namentlich
Weiber. Beim Sargschließen wird ein Gebet gesprochen. Die Blumenstöcke, Bienenstöcke wie überhaupt alles Bewegliche
soll man rücken, sonst verwelken sie oder nehmen Schaden.
Früher wurde dem Leichenzug ein hölzernes Kreuz vorauf getragen. Jetzt gehen Lehrer und Sänger voraus - auf Verlangen
die Polizei -, dann kommt der Geistliche, dann der Sarg, nach diesem die Männer (Kinder und Verwandte zuerst) und
zuletzt die Weiber (ebenfalls Kinder und Verwandte voraus). Die Weiber haben in der Hand ein weißes Taschentuch.
Die Kinder, Verwandten und Nachbarn tragen Kränze oder Sträuße, das heißt wenn so viel gespendet worden sind. Die
Nachbarn, Verwandten und Bekannten bringen der Sitte gemäß Blumenspenden. Aus jedem Haus geht eine Person mindestens
zur Beerdigung. Es sind besondere, genau einzuhaltende Plätze da zum Abstellen des Sarges und zu gleicher Zeit zum
Singen eines Liedverses von Seiten der Schulkinder. Diese Plätze sind zum Teil (in den Filialen) nahe beim Ort, sogar
unnötigerweise im Ort, oft keine 50 Schritte vom Haus weg; aber Nichthalten würde als eine schwere Beleidigung
angesehen. Der Sarg wird gleich bei der Ankunft auf dem Kirchhof ins Grab hinabgelassen unter dem Geläute der Glocken
und dem Singen eines Liedverses. Geläutet wird (je nach der Richtung) mitten im Dorf oder kurz vor demselben mit einer
Glocke, beim Betreten des Kirchhofs mit sämtlichen Glocken, bei Kindern, die noch nicht konfirmiert sind, überhaupt
nur mit einer Glocke. Gesungen wird auf Verlangen, oft schon bei Kindern unter einem Jahr, gewöhnlich von über einem
Jahr an. Jungverstorbene Leute werden von den Schulkameraden getragen, sonst von Nachbarn.
Am Grab wirft nach der Trauerfeier jeder Teilnehmende drei Hände voll Erde in das Grab, auch Kränze und Blumensträuße.
Haltbare Kränze werden entweder aufs Grab gesteckt, an Kreuz oder Grabstein gehängt oder im Haus aufgehängt.
Auf dem Kirchhof werden seit neuerer Zeit bedeutend mehr Grabsteine als Kreuze aufgestellt, so daß man einen älteren
Kirchhofteil von einem jüngeren - was Benützung anbelangt - schon von weitem unterscheiden kann. Nach der Beerdigung
wird das Grab gleich geschlossen.
Erhalten haben sich hier noch die sogenannten Leichentrünke, und zwar im Wirtshaus (eins, zwei oder drei Wirtschaften,
je nach Zahl der Teilnehmer). In seltenen Fällen gehen die Verwandten und Träger nur ins Trauerhaus und genießen etwas.
Zu dem Leichentrunk muß auch der Lehrer. Wegbleiben würde sehr übelgenommen. Beim Leichentrunk ist schon alles
hingerichtet; an jedem Platz steht ein Schoppen Wein (selten Bier, manchmal auch beides), ein Teller mit Besteck und
ein Leichenlaibchen, ein rundes Gebäck im Wert von zwölf Reichspfennig, das sonst nie gebacken wird. Auf dem Tisch
stehen verschiedene Platten mit Backsteinkäse. Die Stimmung beim Leichentrunk ist manchmal, namentlich, wenn es etwas
später ist, ziemlich animiert, so daß eigentlich nur noch die Kleidung davon zeugt, daß es eine Beerdigung war. Für
manche Armen ist so ein Tag eine Gelegenheit zum Sattessen und Sattrinken. Eingeladen werden je nach Vermögen oder
Wunsch des Verstorbenen die Verwandten, Freunde, Träger und Nachbarn, manchmal auch alle Teilnehmer. Daß dann oft so
ein Leichentrunk nicht wenig kostet, läßt sich denken, denn jedes bekommt auch noch zwei Leichenlaibchen mit nach
Hause, wozu schon von daheim ein weißes Tüchlein mitgenommen wird. Früher war die Grabrede in der Kirche nach der
Einsegnung (Trauergottesdienst), doch hat diese schöne Sitte aufgehört. Die Leichenwache übernehmen die Nachbarn, wie
auch die Anfertigung des Sargkranzes. Bei alten Leuten wird häufig das Sargtuch nicht geschmückt. Den Toten gibt man
hier und da Zitronen, in welche mit Stecknadeln der Name der Verstorbenen eingestochen ist, in die Hand
(auch Palmzweige). Die ausgefallenen Zähne legt man in den Sarg. Wenn jemand im Kirchhof Brot ißt, fallen ihm alle
Zähne aus. Wenn das Käuzchen ruft, gibts einen Todesfall, ebenso, wenn es unterm Betglockenläuten hineinschlägt,
ebenso, wenn der sog. Weckervogel ruft oder wenn die Bettlade, auf der ein Kranker liegt, nachts kracht oder wenns
einem von einer Hochzeit träumt. Bei einem Todesfall soll man an alle Fässer klopfen, damit keine Wiederholung
eintritt. Die Trauerzeit beträgt bei Erwachsenen ein Jahr, bei Kindern ein halbes Jahr.
In Haus- und Feldwirtschaft
Im Haus: Es wird teilweise keine Milch aus dem Haus gegeben, ohne daß der Hafen vorher an drei verschiedene Orte
gestellt oder die Milch mit Salz bestreut wurde. Aus dem Stall darf keine Milch verkauft werden, solange das Kalb
noch nicht acht Tage alt ist, ebenso darf in dieser Zeit nichts ausgeliehen werden, sonst versagt die Milch.
Bei der Heuernte: Beim Schneiden geht die Bäuerin hinter dem Bauern her und tut das geschnittene Getreide weg,
die Magd folgt hinter dem Knecht, die Taglöhnerin hinter dem Taglöhner. Gegen Hagel und Einschlagen hilft, wenn man
am Palmsonntag grüne Zweige hinter die Dachsparren steckt.
Zum Fangen der Maulwürfe ist eine besondere Person angestellt. Gegen Feldmäuse wird Erdöl angewendet, gegen Baumraupen
Klebringe.
Wenn die Ernte (Fruchternte) vorbei ist, ist Niederfallet oder Sichelhenket, wo Küchlein (Fastnachtsküchlein) gebacken
werden und wo ein Festessen mit zweierlei Fleisch stattfindet. Wer beim Dreschen den letzten Schlag tut, bekommt einen
Namen, den man anstandshalber nicht nennen kann.
Die Weinbergshüter, die von den Wengertern gewählt werden, haben eine Pistole, eine Ratsch (zum Lärmmachen) und eine
Weidenpeitsche zum Knallen. Bei der Weinlese wird geschossen und Feuerwerk losgelassen, die Trauben werden mit
Holzkolben gestampft in Tragbütten und in die Kelter in großen Bütten getragen. Wer in die Kelter kommt, muß Wein
trinken von jedem, so daß er von keinem viel trinken kann. Die Fässer der Weinfuhrwerke sind am Spunden mit einem
Strauß geschmückt; die Pferde haben Schellengehänge. Beim Verkaufen findet ein Essen und ordentliches Trinken statt.
Derjenige, der seine Weine selber ausschenkt, steckt ein Tannenbäumchen heraus. Die Überreste auf dem Feld, in den
Obstbäumen und Weinbergen werden von armen Leuten gestupfelt. Hanf und Flachs werden an den Ecken über Kreuz gelegt,
damit keine Spinnen drüber gehen.
Im Herbst, auch sonntags, treiben die größeren Kinder das Vieh auf die Weide. Sie machen ein Feuer und braten Äpfel
und Kartoffeln, die sie zusammensuchen. Hie und da wird auch heimlich geraucht aus Wurzelpfeifen; statt Tabak werden
Nußblätter genommen.
Viehkrankheiten
Wenn's Vieh nicht aufstehen will, soll man's in den Schwanz schneiden. Wenn die Zähne ausfallen wollen, soll man
gekochte Zwiebeln hineinreiben oder gefundenes Brot, mit Branntwein getränkt, dem Vieh geben. Wenn sich das Vieh
überfressen hat, soll man ihm Schnupftabak in die Nase reiben oder ein Strohband ums Maul binden, damit Kaubewegungen
gemacht werden. Gegen Husten hilft warmes Wasser. Auf Wunden, durchs Fallen verursacht, schmiert man Öl, Branntwein,
auch Wagenschmiere. Meistens wird der Schäfer geholt; weniger der des eigenen Orts als der von Oberohrn, der besonders
geschickt sein soll. Wenn Geflügel keine Luft mehr bekommt, zieht man durch die Nasenlöcher eine mit Schmalz
bestrichene Feder. Den jungen Gänsen gibt man ein Stückchen Papier, auf das ein Gebet geschrieben ist (Vaterunser)
zum Fressen, dann können sie nicht verhext werden.
Rechts- und Verwaltungsbräuche
Volkstümliche Rechtsanschauungen und Gebräuche: Es herrscht meist die Meinung, man dürfe die Felder betreten und
begehen im Herbst und Winter, wenn diese leer sind. Ebenso wird das Betreten des Waldes und das Holen von dürrem Holz
für erlaubt angesehen. Zur Obstzeit dürfe man drei Früchte vom Baum nehmen, ebenso müsse man das, was im Weg liegt,
auflesen.
Beim Kaufen und Verkaufen gilt das bekannte Einschlagen. Der Knecht oder ein Kind des Verkäufers bekommen vom Käufer
drei Mark Trinkgeld (beim Vieh). Nachher (nach dem Kauf) findet ein gemeinsamer Trank statt. Hat er, der Bauer, auf
dem Markt verkauft, so schlingt er die leere Kette oder den Strick um den Leib herum.
Ausdingrecht der Alten: Wenn die Alten den Hof abgeben, so behalten sie sich den Ausding vor. Was hier meistens
dazugehört, mag ein kürzlich geschehenes Beispiel zeigen. Wohnrecht der Alten: Sie haben zwei Zimmer und das Recht
des Aufenthalts in der kalten und warmen Stube, allwo die Verkäufer holz- und lichtfrei sind, dann das Recht zum
Mitkochen, Backen, Waschen, wobei die Käufer resp. die jungen Eheleute das Holz zu liefern haben; dann haben die Alten
ein Beet im Garten anzusprechen und Teil am Keller. Dies dauert so lange als die Alten leben oder Geschwister der
Jungen ledig sind; nachher gegen Miete. Gütergenuß: Den vierten Teil des Sommergartens (ein Weinberg und
Bäume sind meistens auch dabei). Die Jungen haben das Vorkaufsrecht auf diese Grundstücke, müssen aber auch den Dung
liefern.
Naturalien: Jährlich in zwei Raten, das heißt an Martini und Lichtmeß so und so viel Zentner Kernen, gemischte
Frucht usw. (in der Mühle vermitzt), manchmal auch vier Raten (Walpurgi - Jakobi - Martini - Lichtmeß). Dann weiter
x Pfund Rindschmalz, x Pfund Schweineschmalz, 150-200 Stück Eier, an Weihnachten 80-100 Pfund Schweinefleisch,
im Herbst den vierten Teil des Weinmostes und den vierten Teil des sämtlichen wachsenden Stein- und Kernobsts
(einschließlich Aufleseobst), x Zentner Kartoffeln, ein Zentner Bettstroh und x Raummeter Brennholz gemischt,
sowie 100 gemischte Wellen (wenn nicht gefälltes Holz), täglich 1-2 Liter süße Milch.
Den Hof erbte früher meist das älteste Kind, während die anderen mit ihrem Erbteil auf andere Höfe heiraten. Das ist
heutzutage nicht mehr der Fall, weil viele auch andere Berufsarten ergreifen. Flurzwang herrscht hier keiner;
Bebauung ganz beliebig, daher Überfahrtsrechte, die zu viel Streitigkeiten führen. Der Marktverkehr geht nach
Öhringen und Hall.
Glaube und Sage
An Gespenster glaubende Leute, natürlich namentlich auch die Kinder, gibt es hier noch viele. Es sind dies keine
"besonderen" Gespenster, sondern der Gespensterglaube ist allgemein. Namentlich in den Keltern, in der
Kirche, dem Friedhof und im Wald sollen Gespenster sein. Einen großen Teil macht der Glaube an umgehende Tote aus.
Wo sich einer entleibt hat, da geht er auch um. Was gespenstische Tiere anbetrifft, so ist es der Pudelhund und die
Katze, auch die Eule, die Gespenster darstellen können. Ein Licht, das man spät nachts auf den Bergen oder im Wald
sieht, ist auch ein Geist. An das Wilde Heer wird geglaubt. Erst an Neujahr 1900 wollen es zwei sonst nicht
abergläubische Männer gehört haben, nachts um 12 Uhr beim Heimgehen... Erst kürzlich wollte ein Mädchen von
19 Jahren von hier nach Hall, nachts 6 Uhr. Bald darauf kam sie wieder, zitternd und bleich. Sie habe das Wilde Heer
gehört (Getöse und Rauschen). Waldteufel soll es auch geben, ebenso ängstigt man die Kinder mit dem
"Wassermann" (damit die Kinder nicht in die Nähe des Wassers gehen sollen).
An eine Bedeutung der Träume wird geglaubt; meistens soll das Gegenteil eintreffen.
Der Hexenglaube ist noch ziemlich verbreitet und war noch vor fünfzehn Jahren schrecklich (eigene Erinnerung des
Verfassers). Alte (und arme) Leute waren fast alle Hexen, die Männer Hexenmeister; sie wurden alle mit scheelen
Augen angesehen. Verfasser sang als Schüler bei der Beerdigung eines solchen Mannes mit, von dem mit aller
Bestimmtheit behauptet wurde, er sei mit herumgebrochenem Hals im Totenbett und Sarg gelegen (weil die Meinung war,
so gehe es zauberkundigen Leuten beim Tod.) Man glaubt auch an Hexentänze und Hexenreiten.
Vorzeichen: Wenn ein starker Wind geht, sagt man, das Wilde Heer komme. Beim Schnee heißt es, Frau Holle schüttle ihre
Betten aus. Auch eine Eule soll Unglück bringen.
Volksdichtung
Ortseigentümliche Volkslieder existieren hier nicht, sondern nur die allerwärts im Land gesungenen üblichen. Nur
derbe, unsittliche Lieder wären besonders anzuführen.
Kinderlieder
Heul a bißle, lach a bißle
bis am Sonntich Abed.
Heul a bißle, lach a bißle
morge kommt dr Dati
bringt a bißle Lewwerwurscht
und a bißle Babi.
Fällt a Messerle vom Himmel ro,
schlackt meim Kindle d' Handle o
d Ma'd geht zum Dokter
dr Doktor isch net daham.
Bitsche, batsche, Peter
hinterm Ofe steht r
hol a, schleckigs Hütle uf.
klopft mit'm Prüchele allweil druf.
Kla's Kindle schlof,
im Garte laufet d Schof,
die schwarze und die weiße,
wolle mei Kindle beiße.
Schöne roti Bäcklich
hot mei Kindle z' Wertich,
schöne, roti, rundi
hot mei Kindle z Suntich.
Schlaf, Kindle, schlof,
sei recht fromm und brav,
scheint die Sonne wieder,
sing ich dir frohe Lieder.
Muß em Gäule Eise schloche,
wieviel Säcklich muß mr howe,
aas-zwaa-drei-
hab i äs drenei gschlooche,
muß i's widder aussie growe!
Schneiderle, Schneiderle,
hopp, hopp, hopp
mach mir einen Rock, Rock, Rock
bis am Samstich Owed,
wenn mei Muetter Küchlich backt
no sooch i guete Owed.
Hasse, hasse, Gäule,
dr Müller sticht a Säule,
dr Müller sticht a roti Kueh
ond de (Name) aa drzue.
Hosse, hasse, hoss,
dr Müller sitzt im Schloß.
dr Müller sitzt im Hühnerhaus,
laßt die klaane Hüehlich raus
reite üwer de Growe
fällt er, no mueß ers hewe.
Abzählverse
Komme große Tropfe,
d Madlich mueß mr klopfe.
Buewe muß mr schone
wie a Zitrone.
D' Katz kehrt d Stuwe naus,
d Maus trägt's Betzich (Kehricht) naus,
hockt e Gackele ufm Dach,
hot si halwer kröpfich glacht.
König, Kaiser, Pulver, Schrot
schießt alles mausetot.
Ri-ra-Rockefueß
d Gans laufe barfueß.
Edelmann, Bettelmann,
Bauer, Soldat,
d Katz hot an Stiefel au
wie en Soldat.
Heute nacht um achte,
kam der Storch und brachte
meiner Mutter einen Sohn,
und der Spitzbub lacht ja schon.
Krabb (Rabe), flieg hoch ins Bäckehaus,
hol mr a paar Wecke raus,
mir ein, dir ein,
am alte Frale gar kan.
Schlotfecher, krauzeweis!
hot a, Säckle voller Laus,
ka's nimmt troche,
no schmeißt ers über de Wooche,
kommt a Bauer hinterdrei,
schlackt em a paar in d Anke rei.
D' Heidelbeer sen zeitich
awwer no net brau,
d Madie sen sau neidich,
lasse aan net nau.
Houhl (hohl), houhl, houhl,
Eimer gstriche voul,
isch a nackigs Fraale komme,
hot mr alli Beerlich gnomme.
Pfeife, Pfeife, geh
i schmeiß de in de See,
i schmeiß de in an Gumpe,
no wärsch' zu lauter Lumpe!
Kommt an Jäger mitm Dege,
will dr Katz ihm Schwanz absäge,
au, miau! Laß mi gau,
bis i alles gfresse hau!
Quellennachweis
Buch Das Pfedelbacher Heimatbuch
Buch "Waldenburger Heimatbuch" Jürgen Hermann Rauser